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Entwickler sagt, wie düster "Cyberpunk 2077" ist

Am 10. Dezember erscheint "Cyberpunk 2077". "Heute" sprach mit Miles Tost, Senior Level Designer beim Entwicklerstudio CD Projekt Red.

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Im Game taucht auch der digitale Geist des verstorbenen Musikers Johnny Silverhand auf, gespielt von Keanu Reeves.
Im Game taucht auch der digitale Geist des verstorbenen Musikers Johnny Silverhand auf, gespielt von Keanu Reeves.
CD Projekt Red

"Heute": Das letzte große Rollenspiel von CD Projekt Red war "The Witcher 3: Wild Hunt". Was sind die größten Unterschiede und Gemeinsamkeiten, wenn man "Cyberpunk 2077" damit vergleicht?

Miles Tost, Senior Level Designer: Zu den Gemeinsamkeiten gehört unser Fokus auf die Story. Der wurde sogar noch verstärkt, weil wir die Tools, mit denen wir unsere Geschichten erzählen, ausgebaut haben. Ein weiteres großes Element ist die offene Welt. Die Freiheit zu erkunden ist uns sehr wichtig. Spieler sollen sich möglichst frei in dieser offenen Welt bewegen können. Dabei soll man immer wider über Nebenquests und andere Aktivitäten stolpern.

Zu den großen Unterschieden zählt natürlich das Setting. "Cyberpunk 2077" spielt im Gegensatz zu "The Witcher 3: Wild Hunt" in einer nicht allzu fernen, dystopischen Zukunft. Insofern ist auch die Umgebung anders. Wir sprechen nicht von weiten Feldern und Wäldern, sondern von Night City, einer riesigen Metropole. Diese ist zwar beeindruckend, aber auch schockierend in gewisser Hinsicht.

Night City kann mit heißen Schlitten erkundet werden.
Night City kann mit heißen Schlitten erkundet werden.
CD Projekt Red

"The Witcher" basiert auf einer polnischen Fantasy-Buchreihe, "Cyberpunk 2077" auf einem Pen-and-Paper-Rollenspiel: Wie macht man aus diesen, global gesehen, "obskuren" Stoffen Mainstream-taugliche Videospiele?

Ich würde gar nicht sagen, dass das Pen-and-Paper-Material so obskur und nicht für den Mainstream aufnehmbar ist. Es liegt eher daran, wie man so etwas aufarbeitet und präsentiert. Erschlägt man den Spieler mit der ganzen Vorgeschichte oder überlegt man sich, wie man diese ganze Geschichte des Pen-and-Paper-Rollenspiels in die Spielwelt einfädelt und passiv vermittelt. Einfach dadurch, dass man in einem Videospiel in 3D durch eine Welt gehen kann, hat es ganz andere Ausmaße als ein Pen-and-Paper-Game darin, wie es seine Narrative erklärt. Wir können in unserer Welt Dinge, die im Pen-and-Paper nur über Schrift erzählt werden können, einfach zeigen. Nachrichtentexte, E-Mail-Verkehr, Gespräche von Passanten – auf all das kann sich der Spieler einlassen, muss es aber nicht. Ich denke, das ist unsere große Stärke. Wir sind in der Lage, eine große Spanne an Menschen anzusprechen, indem sie sich aussuchen können, wie viel von der Welt sie konsumieren möchten.

In bisherigen Präsentationen von "Cyberpunk 2077" wurden die vielen Wahlmöglichkeiten unterstrichen – Klasse, Mode, Dialoge, Autos und so weiter. Doch inwieweit wird sich das Durchspielen der Story aufgrund der getroffenen Entscheidungen ändern?

Das hat ganz massive Auswirkungen. Auch in diesem Spiel haben wir wieder mehrere Enden als Resultate der Entscheidungen des Spielers. Sowohl die Art und Weise, wie man mit Charakteren interagiert, welche Dialoge man führt und welchen Charakter-Hintergrund man wählt, als auch wie man spielt. Also etwa Personen in der Spielwelt tötet oder aber am Leben lässt. Sogar gefundene Items können einen Einfluss auf die Handlung haben. Da versuchen wir noch mehr als zuvor, die Gameplay-Komponente in die Entscheidungen des Spielers einfließen zu lassen. Darüber hinaus haben wir auch nicht diesen internen Zwang, jeder Entscheidung weitreichende Konsequenzen zu geben. Manchmal ist es auch schön, Folgen auf einer viel kleineren Ebene zu erleben. Einfach um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass die Spielwelt auf den Spieler reagiert und sich anpasst.

Die Spielwelt soll voll mit kleinen und großen Geschichten sein.
Die Spielwelt soll voll mit kleinen und großen Geschichten sein.
CD Projekt Red

Wie hat sich das Quest-Design seit "The Witcher 3" weiterentwickelt?

Es ist sicherlich um einige Nummern komplexer geworden. Wir legen deutlich mehr Wert darauf, dem Spieler das Gefühl zu geben, dass seine Entscheidungen Gewicht haben und sich auf die Handlung niederschlagen. In "Cyberpunk 2077" hat der Spieler deutlich mehr Freiheit als in den "Witcher"-Games. Wir müssen uns deswegen ständig fragen, was die Spieler unbedingt machen können wollen. Dann setzen wir uns damit auseinander, welche Lücken noch gefüllt werden müssen. Ich werde regelmäßig bei Playtests überrascht, an welche Möglichkeiten die Spieler denken. Für diese Fälle unerwarteter Handlungen gibt es Sicherheitsmechanismen um zu verhindern, dass das Spiel kaputt geht.

CD Projekt Red ist bekannt dafür, Spieler vor moralisch nicht immer einfache Entscheidungen zu stellen. Wie sehr werden alle, die am liebsten alles möglichst gut machen wollen, in "Cyberpunk 2077" ins Schwitzen kommen?

"Cyberpunk 2077" ist ein sehr, sehr düsteres Spiel. Eine Hauptinspiration ist etwa der klassische Film Noir. Wir versuchen, davon viele Elemente in unsere Story und die Welt einfließen zu lassen. Teil dieser Philosophie ist es, dass es eigentlich keine Möglichkeit gibt, nur in „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden. Wir sprechen – wie auch bei "The Witcher 3: Wild Hunt" – von moralischen Graustufen. Es ist deutlich interessanter und glaubwürdiger, diese zu beleuchten. Wie im echten Leben ist nicht immer die richte Entscheidung auch einfacher. Teilweise muss man unter großen Schwierigkeiten eine Entscheidung treffen, die moralisch als „gut“ gelten würde. Häufig gibt es auch keine „gute“ Möglichkeit. In Night City gibt es eine ganz eigene Realität.

Sex, Gewalt und Drogen stehen in Night City an der Tagesordnung, riesige Unternehmen kontrollieren jeden Aspekt des menschlichen Lebens.
Sex, Gewalt und Drogen stehen in Night City an der Tagesordnung, riesige Unternehmen kontrollieren jeden Aspekt des menschlichen Lebens.
CD Projekt Red

Gibt es irgendein Körperteil, das man mittels Cyberware nicht modifizieren kann?

Für die Spielwelt gibt es das tatsächlich nicht. Es gibt Figuren, die ihren gesamten Körper durch Cyberware ausgetauscht haben. Das ist definitiv Thema in Nicht City. In unserem Spiel erforschen wir auch, welche Auswirkungen das auf die Psyche des Individuums und des Kollektivs haben kann. Da haben wir tatsächlich einige faszinierende, wenn auch nicht immer schöne, Bespiele im Spiel. Außerdem gibt es das Phänomen der Cyberpsychose. Eine recht unerforschte Krankheit, die wohl dann auftritt, wenn Menschen zu viele Implantate einbauen lassen und ihre Menschlichkeit verlieren. Das geschieht erschreckend häufig in Night City. Aber um auf den Kern der Frage zurückzukommen: Für den Spieler gibt es Restriktionen. Gleichzeitig kommt man nicht darum herum, sich zumindest aus gewissem Maße Implantate einbauen zu lassen.

In Night City haben skrupellose Konzerne das Sagen, da könnte man – wenn man möchte – Kritik am Kapitalismus herauslesen. Wie politisch ist "Cyberpunk 2077"?

Für uns ist lässt sich das Genre von "Cyberpunk" nicht von der Politik trennen. Es ist so stark in diesen Aspekten verankert, dieser Angst vor dem Endzeitkapitalismus. Dem können wir uns natürlich nicht verschließen. Wir sehen uns aber nicht als Richter in dieser Sache, sondern halten die Lupe auf diverse Themen und lassen den Spieler entscheiden.

Keanu Reeves brachte sich bei den Eigenschaften seiner Figur kreativ ein.
Keanu Reeves brachte sich bei den Eigenschaften seiner Figur kreativ ein.
CD Projekt Red

Hollywood-Darling Keanu Reeves verkörpert die Rolle von Johnny Silverhand im Spiel. Wie lief die Zusammenarbeit mit ihm?

Das war erstaunlich cool. Mich hat überrascht, dass er kreativ in dem Projekt involviert sein wollte. Zumindest was seinen Charakter, Johnny Silverhand, angeht. Einige der Charakteristika der Figur entspringen auf jeden Fall den schauspielerischen Künsten von Keanu Reeves. Es ist aber auch cool, einen Schauspieler im Game zu haben, der mit dem Genre so verbunden ist, sei es nun "Matrix" oder in gewisser Art und Weise die "John Wick"-Reihe, die einige Cyberpunk-Elemente aufweist. Ich hoffe auch, dass die Fans sehen, dass die Zusammenarbeit deutlich über den "Star"-Aspekt hinausgeht. Denn Johnny Silverhand hat eine Hauptrolle im Spiel und ist ständig präsent. Benjamin Völz, die langjährige deutsche Stimme von Keanu, macht ebenfalls einen tollen Job in der lokalisierten Fassung.

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