Ukraine

Russland-Sanktionen verursachen "erheblichen Schaden"

Die Wirkung der Sanktionen gegen Russland wird von Gegnern oft abgestritten. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr legt jetzt alle Fakten auf den Tisch.

Roman Palman
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    Wladimir Putin während eines Besuchs der Ulan-Ude Flugzeugfabrik, Russlands führendem Hersteller von Helikoptern, in Ulan-Ude im südöstlichen Sibirien am 14. März 2023.
    Wladimir Putin während eines Besuchs der Ulan-Ude Flugzeugfabrik, Russlands führendem Hersteller von Helikoptern, in Ulan-Ude im südöstlichen Sibirien am 14. März 2023.
    IMAGO/ITAR-TASS

    Wann immer es politisch auf der Welt kriselt, folgen auch wirtschaftliche Maßnahmen. Während Despot Wladimir Putin seine Interessen in der Ukraine mit Waffengewalt durchzusetzen versucht, zieht die EU auf ökonomischer Seite für das angegriffene Land und gegen Russland in diesen Krieg. Statt Kanonen donnern Sanktionen.

    Diesen "Krieg mit anderen Mitteln" und seine Auswirkungen hat der Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr, jetzt genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse seiner Analyse, die "politischen Entscheidungsträgern als Orientierungshilfe dienen soll", dürften Kreml-Fans gar nicht schmecken.

    "Obwohl Russland teilweise auf andere Märkte ausweichen kann und das Sanktionsregime nur mittelmäßig streng ist, fügen die Sanktionen Russland langfristig erheblichen Schaden zu", schreibt Felbermayr kurz und knackig in seinem Fazit. 

    Gabriel Felbermayr ist Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO).
    Gabriel Felbermayr ist Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO).
    Carsten Rehder / dpa / picturedesk.com

    Für 2022 rechnen er und internationale Experten demnach mit einer Schrumpfung der russischen Wirtschaft um etwa 3,5 Prozent, für 2023 um etwa 2,5 Prozent – und das trotz angeheizter Kriegsproduktion, die ebenfalls in das Bruttoinlandsprodukt einfließt. Der Unterschied ist dramatisch, denn ohne die Sanktionen wäre die russische Wirtschaft vermutlich gewachsen. In Summe wäre demnach ein Plus von 4 Prozent realistisch gewesen. 

    EU muss nur wenig einstecken

    Vergleichend dazu muss Europa viel weniger einstecken: "So liegt der langfristige Schaden im Baltikum bei etwa 2 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Kopf [...]. Deutschland hätte langfristig mit einem Schaden von 0,4 Prozent zu rechnen", ist in dem WIFO-Bericht zu lesen. In Norwegen steigt die Wirtschaftsleistung aufgrund der zusätzlichen fossilen Exporte sogar um fast 1 Prozent. 

    Die USA, die traditionell kaum wirtschaftliche Verbindungen zur Russland unterhalten, kämen hingegen ohne Nachteile aus diesem Wirtschaftskrieg.

    Die EU-Sanktionen gegen Russland umfassen mittlerweile Exportverbote für Güter und Technologie, die für militärische Zwecke genutzt werden können, preisliche Beschränkungen beim Import von Erdöl und Erdgas, Einschränkungen im Finanzverkehr, Reiseverbote und das Einfrieren von Auslandsvermögen der russischen Zentralbank sowie von Firmen und Personen.

    Die Auswirkungen der Sanktionen waren unmittelbar nach Beginn der russischen Invasion schon sichtbar. Im Zeitraum Februar 2022 bis Dezember 2022 gingen die importierten und die exportierten Mengen im Außenhandel mit Russland um jeweils etwa 50 Prozent zurück. Die Exporte sanken dabei schneller als die Importe, weil diese vor allem aus erst später sanktionierten Energielieferungen bestanden.

    Für den Westen wie auch Putin ist nun entscheidend, ob Russland auf andere Märkte ausweichen kann, um die Sanktionen zu umgehen. Die Entwicklungsländer haben sich immerhin vollständig der Sanktionen enthalten, weshalb sie nun zu wichtigen Partnern der Russen werden. 

    Indien und China keine besseren Partner

    Durch die Sanktionen müssen die Russen aber ihr Erdöl schon zum Schleuderpreis abgeben. Die russische Ölsorte Urals wird seit April 2022 um 22 Dollar bis 35 Dollar je Barrel billiger gehandelt als die vergleichbare Nordseesorte Brent.

    Vollständig kompensieren kann dann auch die Umlenkung des Handels auf Entwicklungsländer die dadurch entstandenen Verluste nicht. Wäre es für Russland schon vor dem Überfall der Ukraine lukrativer gewesen, seine Rohstoffe an Indien zu verkaufen, hätte man wohl auch getan, argumentiert Felbermayr. 

    Und: China scheint dagegen nicht im großen Ausmaß als Ersatzmarkt einzuspringen, weil dafür die Transportkapazitäten fehlen. Daten über globale Schiffsbewegungen würden hier "eine klare Sprache" sprechen. 

    Wollen sich wirtschaftlich enger binden: Chinas Präsident Xi Jinping und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau am 21. März 2023.
    Wollen sich wirtschaftlich enger binden: Chinas Präsident Xi Jinping und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau am 21. März 2023.
    IMAGO/Xinhua

    "Potenziell gefährlich"

    Langfristig würden die Modellrechnung eine völlige Entkopplung Russlands von der westlichen Wirtschaft voraussagen. "Es zeigt sich, dass der bilaterale Handel fast zur Gänze verschwinden würde", sagt der Ökonom.

    Um das Korsett um Russland noch fester zuzuschnüren, würde die westliche Allianz auch gerne ihre Sanktionen extraterritorialisieren und auf Finanz- bzw. andere Dienstleister, die russische Geschäfte zu Drittstaaten ermöglichen, auszuweiten. 

    Das könnte sogar noch weiter gehen und auch Länder sanktioniert werden, die nach wie vor mit Russland Handel treiben". Felbermayr warnt eindringlich vor den Konsequenzen eines solchen Schrittes: "Das würde vermutlich zu Gegenreaktionen der Drittländer führen und ist daher potenziell gefährlich."

    "Erforderlich, dass Sanktionen bestehen bleiben"

    Eine historisch belegte Tatsache bleibt aber: Sanktionen entfalten ihre eigentliche Wirkung während der Drohphase und nicht erst, wenn sie dann auch verhängt werden. Die Androhung der wirtschaftlichen Blockaden hatte zum Ziel, Putin von seinen Invasionsplänen abzubringen, bevor er überhaupt Soldaten über die ukrainische Grenze schickt.

    Felbermayr: "Offenbar hat die russische Führung trotz der erwarteten Sanktionen im Angriffskrieg aber höhere Nutzen als Kosten gesehen und trotz Sanktionsdrohung das geltende Völkerrecht gebrochen." Man kann also annehmen, dass der Kreml-Despot gewillt ist, Russland diesen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, um die Ukraine zu erobern. Es ist also unwahrscheinlich, dass sie direkt zu einem Ende des Kriegs führen.

    "Dennoch ist es erforderlich, dass die westlichen Sanktionen bestehen bleiben", warnt der WIFO-Chef. "Eine Rücknahme würde den Angriffskrieg Russlands erst recht einträglich für die russische Führung machen. Wichtiger noch: Die Glaubwürdigkeit der nächsten impliziten oder expliziten Sanktionsdrohung wäre dahin."

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      Wagner-Chef <a data-li-document-ref="100255572" href="https://www.heute.at/g/-100255572">Jewgeni Prigoschin</a> in einem Video, das ihn mit russischer Fahne auf dem Rathaus von Bachmut zeigen soll. Es wurde am 3. April 2023 veröffentlicht.
      Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in einem Video, das ihn mit russischer Fahne auf dem Rathaus von Bachmut zeigen soll. Es wurde am 3. April 2023 veröffentlicht.
      Concord Press Service/Handout via REUTERS