Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnt die EU-Länder vor der Wiedereinführung von dauerhaften Grenzkontrollen. "Sie dürfen nicht zum neuen Normalzustand werden", sagt Juncker der Deutschen Presse-Agentur.
In 10 von 27 Ländern der EU würden derzeit wieder Kontrollen an den Grenzen stattfinden. Es fehle in diesen Ländern die Botschaft an die Bürger, dass die Grenzkontrollen nur vorübergehend seien. "Auch in Deutschland hört man immer wieder, dass das dauerhafte Grenzkontrollen sein sollten, was überhaupt nicht im Einklang steht mit dem Impetus der Schengen-Verträge", sagte Juncker.
Er gehe aber davon aus, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) "als überzeugter Europäer rechtzeitig die Bremse ziehen wird, bevor sich der momentane Zustand in einen Dauerzustand verändert". Gerade an der Grenze zu Luxemburg, die täglich zehntausende Pendler überquerten, würden die Kontrollen als "besonders schmerzhaft" wahrgenommen.
Am 14. Juni wird im luxemburgischen Moselort Schengen der 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Schengener Übereinkommens gefeiert. Am 14. Juni 1985 hatten Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen vereinbart. Heute gehören 29 Staaten mit knapp 420 Millionen Einwohnern zum Schengen-Raum.
40 Jahre Schengen: Das sei ein Grund zum Feiern, sagte Juncker. "Schengen ist für mich die Vervollständigung des europäischen Traums, dass die Bürger der EU ohne Probleme die Grenzen überschreiten können." Die wieder eingeführten Grenzkontrollen "trüben allerdings die festliche Stimmung in sehr erheblichem Maße", sagte der Luxemburger.
Er hoffe, dass von der Erinnerungszeremonie am 14. Juni in Schengen auch die Botschaft ausgehe: "Dass man so nicht weitermachen kann! Wenn sich Grenzkontrollen normalisieren und wieder alltäglich werden, dann kann man Schengen abschreiben", sagte Juncker. Er sei bei der Feier "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" dabei.
Klar sei aber, dass es schon bald eine gesamteuropäische Diskussion der EU-Staats- und Regierungschefs brauche, wie man mit der Flüchtlingsfrage umgehe. Die Außengrenzen der EU müssten besser geschützt werden.