Coronavirus

Lockdown war gut, aber jetzt müssen wir da raus!

Heute Redaktion
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Als ich an Corona erkrankt war, musste sich das AKH, an dem ich Unirätin bin, auf eine Pandemie vorbereiten. Wurde zu viel heruntergefahren? Ich sage: nein. Aber jetzt müssen wir lernen, mit diesem Virus zu leben. Von Herausgeberin Eva Dichand

Am Freitag habe ich hier über meine Corona-Erkrankung Mitte März geschrieben. Ich erkrankte in einer Zeit, in der rundherum die Welt unterzugehen zu schien. Man las von Tausenden Entlassungen in heimischen Unternehmen, darüber hinaus haben wir auch die Redaktion von "Heute" von heute auf morgen auf Home Office umgestellt. Bis spät in die Nacht habe ich von Mitarbeitern SMS erhalten, wie nun alles weitergehen würde. Mein Mann und ich hatten angesichts der angespannten Lage beschlossen, vorerst nur unserem engsten Umfeld von der positiven Testung auf das Coronavirus zu schreiben. Leider sind die Menschen ja sehr schnell mit Verurteilungen und Schuldzuweisungen. Als ob man etwas dafür könnte, wenn man sich mit einer hochansteckenden Krankheit infiziert.

Eine Grippe ist weit ärger

Ich habe mich eigentlich recht schnell erholt. Die Ärzte diagnostizierten einen "mittelschweren Verlauf". Mein Fazit: Bei einer ordentlichen Grippe fühlt man sich deutlich schlimmer. Laut den Ärzten hat ein wirklich überwiegender Teil gesunder jüngerer Menschen eine Krankheitsverlauf wie mein Mann und ich. Überall gibt es Ausnahmen, aber in diesem Fall wirklich sehr, sehr selten. Das Durchschnittsalter der an Covid-19 Verstorbenen sei 80 Jahre, wurde mir erklärt.

An der Meduni im Wiener AKH, an der ich Uniratsvorsitzende bin – das ist eine Position ähnlich einer Aufsichtsratsvorsitzenden in der Privatwirtschaft – war die Situation äußerst angespannt. Der Rektor, Prof. Markus Müller, mit dem ich fast täglich in Kontakt stand, musste mit der größten Herausforderung in der Geschichte des österreichischen Gesundheitssystems zurecht kommen. Etwas wie Corona hat es noch nie gegeben. Das AKH, eines der größten Spitäler Europas, musste auf eine Pandemie vorbereitet werden (zu diesem Zeitpunkt ging man noch von einer Epidemie aus).

Bei den Ärzten herrschte Verzweiflung

Über viele Wochen hindurch habe ich gehört: Du wirst sehen, in zehn Tagen ist die Lage auch bei uns so schrecklich wie in Italien. 10.000 Menschen werden sterben. 70 Prozent der üblichen Operationstätigkeit wurde eingestellt und die Intensivstationen auf den erwarteten Wahnsinn vorbereitet. Bei meinen täglichen Telefonaten mit Ärzten bemerkte ich große Verzweiflung. Über fehlende Daten. Fehlende Tests. Fehlende Masken, fehlende Schutzbekleidung und vieles mehr.

Gekommen ist es dann Gott sei Dank nicht, wie im schlimmsten Fall angenommen. Die Politik in Österreich hat früher als in anderen Ländern auf die Ärzte gehört und unser Land rechtzeitig in den Lockdown geschickt. Die anscheinend deutlich niedrigere Verseuchung der Bevölkerung (also Infizierte im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung) und die strengen Maßnahmen haben Wirkung gezeigt. Österreich gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Infektionszahlen und einer geringen Sterberate. Die Spitäler blieben größtenteils leer. Die Situation kam nicht einmal in die Nähe von Italien oder anderen Ländern. Niemand kann sagen, ob wir überreagiert haben, zu früh oder zu viel hinuntergefahren haben.

Öffnen wir die Schulen wieder

Tatsache ist aber, dass wir den ersten Teil der Corona-Pandemie hervorragend gemeistert haben. Ich bin der Meinung: Im Zweifel besser ein bisschen zu viel Lockdown als Tausende Tote. Persönlich kann ich nur sagen, dass ich viele Menschen kenne, die sich wirklich sehr vor einer Ansteckung fürchten. Ehrlicherweise muss man denen sagen: Viele werden sich noch infizieren. Aber: Viele werden einen ähnlich milden Verlauf wie mein Mann oder ich haben. Man darf sich nicht zu Tode fürchten. Wir werden noch sehr lange mit diesem Virus leben müssen und es wird unser Leben sehr stark prägen. Dennoch müssen wir nun dringend auch wieder mehr Selbstverantwortung an den Tag legen. Die neue Stasi-Mentalität – Aufpasser vor Parks, Überwachungs-Apps – ist erschreckend. Auch eine Corona-Impfung wird es noch lange nicht geben. Obwohl Baumärkte wieder geöffnet haben, soll die am wenigsten gefährdete Gruppe – nämlich Kinder – weiter von der Schule zu Hause bleiben. Diese Altersgruppe wird wohl kaum die ohnehin freien Intensivbetten des Landes blockieren. Warum sperren wir also weiter 1,2 Millionen Kinder zuhause ein und starten nicht mit dem Unterricht, wie in Dänemark oder Norwegen?