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Falschmeldung über Atom-Explosion in der Türkei

Als wären die Aufnahmen von den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet nicht schlimm genug, kursieren nun Falschmeldungen.

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    Die Explosion in diesem unter anderem auf Twitter verbreiteten Video hat es tatsächlich gegeben – allerdings hat sie sich bereits im Jahr 2020 ereignet – in der libanesischen Stadt Beirut.
    Die Explosion in diesem unter anderem auf Twitter verbreiteten Video hat es tatsächlich gegeben – allerdings hat sie sich bereits im Jahr 2020 ereignet – in der libanesischen Stadt Beirut.
    Screenshot Twitter

    Einstürzende Häuser, aufgerissene Straßen und verzweifelte Menschen: Die Erdbeben in der Türkei und Syrien haben viel Leid verursacht und verursachen es auch noch weiter. Die Zahl der Todesopfer ist auf über 40.000 gestiegen. Während Rettungsteams versuchen, Überlebende aus den Trümmern zu bergen und nach den Ursachen für das Ausmaß der Katastrophe gesucht wird, verbreiten andere Falschinformationen. So werden in den sozialen Medien etwa alte Fotos und Videos aus dem Zusammenhang gerissen und als aktuell ausgegeben. Auch der folgende Post tut dies.

    Alte Aufnahmen, anderer Ort

    Die Aufnahmen, die auch auf Facebook geteilt wurden, sind schon drei Jahre alt. Sie stammen aus dem Jahr 2020 und zeigen die Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 (siehe Box). Die Bilderrückwärtssuche führt zu mehreren Beiträgen von damals, zum Beispiel auf Twitter und YouTube

    In diesem Video ist die Explosion im Hafen von Beirut aus verschiedenen Perspektiven zu sehen – die einzelnen Clips wurden zeitlich synchronisiert:

    Wer genau hinsieht, erkennt, dass der Clip, der fälschlicherweise mit den Erdbeben in der Türkei und Syrien in Verbindung gebracht wird, in dem zusammengestellten Video bei Minute 0:29 auf der rechten Seite auftaucht:

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      Dieser Screenshot stammt aus dem Compilation-Video: Die Szene, die ganz rechts abgebildet ist,…
      Dieser Screenshot stammt aus dem Compilation-Video: Die Szene, die ganz rechts abgebildet ist,…

      Von wem das Video der Explosion vom 4. August 2020 aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. Wohl aber, wo es aufgenommen wurde: von der Terrasse des japanischen Restaurants Clap Beirut. Dafür sprechen unter anderem die Perspektive und die zu sehenden Bauten, aber auch die Gestaltung der Terrasse, die sowohl im zweckentfremdeten Video als auch auf Aufnahmen des Restaurants zu sehen sind:

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        Diese Terrasse sieht man in dem Video, das derzeit fälschlicherweise mit dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet in Zusammenhang gebracht wird.
        Diese Terrasse sieht man in dem Video, das derzeit fälschlicherweise mit dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet in Zusammenhang gebracht wird.
        Screenshot Twitter

        Was geschah in Beirut?
        Am 4. August 2020 detonierten in im Hafen von Beirut 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das während Jahren fahrlässig und ohne Schutzmaßnahmen dort gelagert war. Die Explosion zerstörte den Hafen und große Teile der angrenzenden Wohngebiete. Mehr als 200 Menschen starben, 6.500 weitere wurden verletzt und rund 300.000 Personen wurden obdachlos.
        Ammoniumnitrat kann sowohl für die Herstellung von Dünger als auch von Sprengstoff verwendet werden.

        Derzeit kein Kernkraftwerk in der Türkei

        Doch es gibt noch einen weiteren, unumstößlichen Beweis dafür, dass die Behauptungen, wonach das Video ein explodierendes Kernkraftwerk in der Türkei zeigt, falsch sind: In der Türkei gibt es derzeit kein Kernkraftwerk und schon gar kein aktives. Es befindet sich aber eines in Bau, wie dem "Power Reactor Information System" (PRIS) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) zu entnehmen ist. Das Kraftwerk Akkuyu wird in Mersin im Süden der Türkei, und damit unweit der Erdbebenregion gebaut. Im Mai 2010 hatten die Regierungen in Ankara und Moskau dazu ein Abkommen unterzeichnet. Federführend ist der russische Staatskonzern Rosatom.

        Das aktuellste Update zum Fortschritt des Baus stammt vom 1. Februar 2023. Demnach soll der erste Block spätestens im Jahr 2025 in Betrieb genommen werden. "Die Projektbeteiligten unternehmen jedoch alle Anstrengungen, um die Lieferung von frischem Kernbrennstoff an den Standort des KKW Akkuyu im Jahr 2023, dem 100. Jahrestag der Republik Türkei, sicherzustellen." Ob die Geschehnisse der letzten Tage an dem Plan rütteln, ist offen. Beschädigt worden sein soll nichts: "Hier wurden Erdstöße der Stufe 3 gespürt – unsere Spezialisten haben jedoch keine Schäden an Gebäuden, Kränen und Ausrüstungen festgestellt", so Rosatom-Sprecherin Anastasia Zoteewa gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

        Fazit

        Das auf Social Media geteilte Video zeigt keine Explosion eines Kernkraftwerks in der Türkei. Erstens wurde es im Jahr 2020 in Beirut aufgenommen und zeigt die Explosion eines Ammoniumnitratlagers im Beiruter Hafen. Und zweitens gibt es in der Türkei derzeit auch kein Kernkraftwerk.

        Neben dieser Falschbehauptung kursieren in den sozialen Medien noch weitere. Einige davon findest du in der obersten Bildstrecke.