Kaum ein US-Präsident betreibt die "America First"-Politik so intensiv wie Donald Trump, sagt der ehemalige österreichische Botschafter in den USA, Martin Weiss, im "Heute"-Interiew. Der Außenpolitik-Kenner war Botschafter in Zypern (2009-2012), Israel (2015-2019), bevor er 2019 in die USA ging und dort bis 2022 tätig war.
Im Talk erklärt er, wie er Trump in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) erlebte, wie der US-Präsident den Friedensnobelpreis gewinnen kann und welche Pläne er für Österreich, Europa sowie die NATO hat. Der Ex-Botschafter über...
"Im persönlichen Gespräch ist das jemand, der durchaus freundlich ist, auf Menschen zugeht, und mit dem man ein ganz normales Gespräch führen kann. Als Botschafter war damals für mich merkbar, dass im Weißen Haus vieles durcheinander gegangen ist. In seinem Kabinett waren Leute, die er gar nicht gekannt hat. Jeder Tag war also für Überraschungen gut."
"Trump ist jemand, der maximal auf die öffentliche Wirkung seiner Maßnahmen achtet. Er hat immer einen Blick darauf, wie seine Maßnahmen bei der Bevölkerung ankommen."
"Der Sprecher des Repräsentantenhauses hat vor Trumps Angelobung gesagt: 'Das werden die 100 aggressivsten Tage, die Amerika je gesehen hat.' Das heißt also, dass Trump seine Ankündigungen mit aller Intensität umsetzen will – ohne zu zögern. Er setzt alles daran, seine Pläne sofort umzusetzen und seinen Wählern zu zeigen, dass er gekommen ist, um Dinge zu ändern."
"Donald Trump ist kein Freund von Allianzen. Er will nicht durch irgendwelche Abkommen gebunden sein, selbst für den Fall eines russischen Überfalls auf NATO-Staaten. Aussagen wie jene, dass Mitgliedsstaaten ihre Ausgaben erhöhen müssen, sonst hilft die USA nicht, schwächen die NATO massiv. Wenn die Beistandspflicht in Frage gestellt wird, dann spielt das Putin in die Hände. Ich fürchte, das wird in den nächsten Jahren nicht besser."
„Wenn die Beistandspflicht in Frage gestellt wird, dann spielt das Putin in die Hände.“Martin Weissfürchtet schwierige Jahre für die NATO
"Für mittelgroße Staaten wie Österreich ist es immer sinnvoll, auch eigene Beziehungen zu den USA aufzubauen. Man sollte es auf jeden Fall versuchen, sich ein eigenes Kontaktnetz aufzubauen, bzw. zu erneuern."
"Gleichzeitig muss man wissen, dass es in den großen Fragen nur im europäischen Verbund geht. Europa muss sich schützen, Projekte wie Sky Shield dienen eben zu diesem gemeinsamen Schutz. Wenn jedes Land beginnt, sich einen eigenen Schutzwall aufzubauen, dann ist das einfach sinnlos. Eine 'Festung Österreich' wäre eine fatale Idee, da Offenheit eine der Grundlagen des österreichischen Erfolgsweges ist. Nicht Festung, sondern unseren europäischen Partnern fest die Hand reichen."
„Eine 'Festung Österreich' wäre eine fatale Idee.“Martin WeissEx-Botschafter in den USA
"Elon Musk hat sein eigenes Department bekommen und leitet es eigenständig. Er sitzt also tief in der amerikanischen Administration drinnen und kommt da auch an alle Informationen. Diese Behörde ist zwar nur auf zwei Jahre ausgelegt aber wenn man Musk so ein bisschen kennt, dann weiß man, dass er sich bis dahin mit voller Kraft für das Department einsetzen wird, um Dinge zu verändern. Das ist ein Experiment, das es so in den USA noch nie gegeben hat."
"Trump hat mehrfach betont, dass er ein Friedensstifter sein will – und ich glaube, er meint das auch so. Er denkt immer in großen Kategorien: Wenn Barack Obama den Friedensnobelpreis bekommen hat, dann will ihn Trump auch."
"Er hat bereits einen ersten erfolgreichen Schritt im Nahen Osten gesetzt, mit der Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza. Für viele Beobachter ist das ein erster Meilenstein. Joe Biden hat da sehr viel vorgeleistet, aber eben ohne dieses Datum und diesen Druck. Trump wird da dran bleiben, das große Ziel wäre eine Aussöhnung zwischen Saudi-Arabien und Israel. Wenn ihm das gelingt, dann ist das auf jeden Fall Friedensnobelpreis-verdächtig."
„Wenn ihm das gelingt, dann ist das auf jeden Fall Friedensnobelpreis-verdächtig“Martin Weissüber Trump als "Friedensstifter"
"Trump wird sicher versuchen, für den Krieg in der Ukraine in den nächsten Monaten eine Lösung zu finden. Für ihn ist der Krieg sinnloses Blutvergießen, das er stoppen möchte. Trump hat gesagt, er möchte sich bald mit Wladimir Putin treffen, andererseits gibt es auch Berater von Trump, die den Druck auf Putin erhöhen möchten. Da könnte zum Beispiel passieren, dass kurzfristig sogar mehr Waffen an die Ukraine geliefert werden."