Weiterhin herrscht zwischen FPÖ und ÖVP keine Einigung bei der Aufteilung der Ministerien. Beide Parteien beharren auf das Innenministerium, aber auch inhaltlich ist man sich offenbar bei sehr vielen Themen alles andere als einig.
Auch am Dienstag trafen die Chefverhandler von FPÖ und ÖVP zu Mittag zu einer erneuten Krisensitzung zusammen, die war aber nach 20 Minuten bereits wieder vorbei – ergebnislos. Die Parteichefs Herbert Kickl und Christian Stocker wurden daraufhin in die Hofburg zu Alexander Van der Bellen einbestellt. Dieser ließ im Anschluss wissen, dass er "rasch und endgültig" eine Klärung erwarte, "ob die Verhandlungen abgeschlossen werden können".
Am Mittwoch wollen FPÖ und ÖVP erneut zusammentreffen – nach außen gibt es kaum Stellungnahmen. Am späten Dienstagabend ordnete dafür ein FPÖ-Kenner, der ehemalige FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer, die Lage bei ORF-Moderator Armin Wolf in der "ZIB2" ein. Werde es noch etwas mit der Koalition, wollte Wolf wissen.
"Wenn es danach ginge, was ÖVP-Chef Stocker sagt, nämlich Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Souveränität, dann müsste diese Koalition zustande kommen, weil das ja Selbstverständlichkeiten sind, auch für Herbert Kickl und für die FPÖ", behauptete Mölzer.
Er ortetet vielmehr "so etwas wie einen Machtkampf in der ÖVP". Einige VP-Politiker würden ausrücken, um eine mögliche Koalition schlechtzureden", Stocker dagegen weiterverhandeln. "Man weiß nicht recht, mit wem man da in der ÖVP reden soll."
Habe Mölzer eine Erklärung, warum Kickl sich in der Verhandlungen verhielte, als hätte er 49 Prozent und nicht 29 Prozent bei der Wahl gemacht? Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Kernkompetenz der FPÖ auf eine Bearbeitung und Lösung des Migrationsproblems hinauslaufe: "Sie muss es über das Innenministerium machen"!
Wie weit man Kompromisse eingehe, das sehe er dagegen nicht problematisch: "Die Frage ist für mich wirklich, will die ÖVP noch? Da scheint es mit mehr, dass die auf Absprung setzen."
Das "stärkste Argument für diese Koalition" seien für Mölzer für die ÖVP-Seite die derzeitigen Umfragen. Bei Neuwahlen drohe die Volkspartei sogar noch hinter die schon schwachen Sozialdemokraten zurückzufallen. Sollte es doch klappen mit Blau-Schwarz wäre eines gewiss: "Große Liebe zu Herbert Kickl und zur FPÖ wird es wohl nicht mehr werden."
Warum habe die FPÖ dann "pure Provokationen" in ihre aufgestellten Forderungen gepackt, hakte Wolf nach. Als Beispiele zitiert er aus dem geleakten 223-Seiten-Papier die Streichung der Steuerabsetzbarkeit des Kirchenbeitrags und eine Austrittsmöglichkeit aus der Kammer.
Das "merkwürdige Papier" sei in einem "merkwürdigen Vorgang" an die Öffentlichkeit gekommen und nütze der FPÖ nicht, das sei eine "merkwürdige Kompilation" von Forderungen, "die am Beginn von Verhandlungen stehen". Mölzer bezweifelte, dass das Papier dem aktuellen Stand der gespräche entsprechen, vielmehr seien wohl "massive Kräfte am Scheitern dieser Verhandlungen interessiert sind". Mölzer stritt zudem ab, dass die FPÖ Medienfreiheit und Rechtsstaat infrage gestellt habe – Moderator Wolf protestierte vehement: "Selbstverständlich, herr Mölzer, wenn Sie das Papier lesen, finden Sie zahlreiche Forderungen der FPÖ".
Mölzers Einschätzung: Zu 70 Prozent scheitern die Verhandlungen!
Mölzer sah die Schuld an der Gesprächskrise allerdings bei der ÖVP – man müsse die Frage stellen, ob es ihr nur noch "um einen taktisch geschickten Absprung, mit dem man der anderen Seite die Schuld zuschieben kann" gehe. Vielleicht torpediere aber die FPÖ die Verhandlungen, damit sie bei Neuwahlen ein paar Prozent zulege und bequem in Opposition bleiben könne, mit mehr Parteienförderung? "Da sind natürlich Mutamßungen", so Mölzer. "Bei der ÖVP genauso", so Wolf. Mölzer gestand schließlich: Der FPÖ gehe es um das Innenministerium für die Kernkompetenz der FPö – bekomme sie das nicht, "dann zahlt sich das überhaupt nicht aus".