Wegen Audioaufnahme

Gewalt in Damaskus – Israel startet Luftangriff

In Syrien kommt es erneut zu tödlichen Angriffen gegen die drusische Minderheit. Der Auslöser war wohl eine Audioaufnahme. Nun mischt sich Israel ein.
20 Minuten
02.05.2025, 08:19

Israel hat nach eigenen Angaben Ziele nahe dem syrischen Präsidentenpalast in Damaskus angegriffen. Kampfflugzeuge hätten "die Umgebung des Palastes getroffen", erklärte die israelische Armee am Freitag im Onlinedienst Telegram. Zuvor hatte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz erklärt, Israel werde mit Härte reagieren, wenn die neue syrische Regierung von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa die drusische Minderheit in Syrien nicht schützt.

15 Angehörige der drusischen Minderheit wurden in der Nacht zu Dienstag nahe der Hauptstadt Damaskus in einem Hinterhalt getötet. Das meldet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (siehe Box). Neun der Opfer seien bei dem Angriff sofort erschossen worden. Einige Leichen seien verbrannt worden. Die Opferzahl werde wohl noch weiter steigen. Wer hinter dem Angriff steht, ist nicht ganz klar. Beobachter sprechen von verschiedenen Gruppen, die teils offizielle Uniformen tragen und aus dem regierungstreuen Umfeld stammten.

Wer sind die Drusen?

Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, die heute vor allem in Syrien, im Libanon, Israel und Jordanien angesiedelt ist. Die Religionsgemeinschaft ist im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. In Syrien leben etwa 700.000 Drusen. Während der Herrschaft des gestürzten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad standen viele Drusen der Regierung nahe. Seit seinem Sturz steht ein Teil der Drusen der neuen, von Islamisten geführten Führung in Damaskus kritisch gegenüber. Andere kooperieren zum Teil bereits mit der neuen Regierung. Einer der führenden geistlichen Anführer der Drusen in Syrien, Hikmat al-Hidschri, forderte die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen auf. Eine Regierung dürfe ihr eigenes Volk nicht mit ideologisch motivierten Milizen bekämpfen.

Was ist der Hintergrund?

In Syrien kommt es seit Tagen zu tödlicher Gewalt zwischen sunnitischen Milizen und drusischen Bewaffneten. Seit Montagabend sind nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte an verschiedenen Orten im Land mindestens 56 Personen ums Leben gekommen.

Die erneute Gewaltwelle – erst im März war es an der Küstenregion zu Gewalt gegen Alawiten gekommen – stellt die Regierung in Damaskus zufolge erneut auf die Probe. Sie zeigt, wie zerbrechlich die tief gespaltene Gesellschaft in Syrien nach Jahren des Bürgerkriegs ist – und wie hoch die Gefahr weiterer konfessionsgebundener Konflikte bleibt.

Was war der Auslöser für die Gewalt?

Schon in den vergangenen Wochen waren Kämpfe zwischen syrisch-drusischen Bewaffneten und Sicherheitskräften aus Dscharamana gemeldet worden. In diese Spannungen fiel dann ein Audiomitschnitt, der in den sozialen Medien schnell die Runde machte. Darin äußert sich ein Mann abfällig über den Propheten Mohammed.

Die Aufnahme wurde dem drusischen Geistlichen Marwan Kiwan zugeschrieben. Dieser bestreitet, den Clip angefertigt zu haben. Das Innenministerium erklärte, es habe eine Untersuchung eingeleitet. Erste Ermittlungen hätten aber bereits ergeben, dass der drusische Geistliche damit nichts zu tun habe. Dennoch brachen in drusischen Vierteln des Damaszener Vororts Jaramana wieder Kämpfe mit aus.

Was hat Israel damit zu tun?

Israel sieht sich als Schutzmacht der Drusen und hat sich auf die Gefechte mit einer "Warnoperation" eingeschaltet. Man sei gegen Personen vorgegangen, "die drusische Zivilisten angegriffen hatten", hieß es in einer Mitteilung. Weitere Details zum Militäreinsatz wurden nicht bekannt. Sollten die Gewalttaten gegen drusische Gemeinden anhalten, drohte mit einem Angriff auf Ziele des syrischen Regimes. Diese Drohung hat Israel in der Nacht auf Freitag in die Tat umgesetzt und Ziele nahe des syrischen Präsidentenpalastes angegriffen.

Um was geht es Israel?

Es geht Israel nicht nur um den Schutz einer Minderheit in Syrien. Wie es die deutsche "Die Welt" auf den Punkt bringt: "Erstens: Die religiöse Minderheit ist nicht nur in Syrien angesiedelt, sondern auch in Israel – und die dortige Community macht Druck auf die israelische Politik." Und zweitens: "Israels Regierung will ein dezentral organisiertes Syrien mit einer schwachen Führung, die man leicht in Schach halten kann. Sie traut der neuen syrischen Regierung nicht über den Weg und sieht die eigene Sicherheit bedroht."

Entsprechend nutze Israel das Machtvakuum in Syrien für eine neue Sicherheitsdoktrin in der Region. Schon nach dem Sturz Assads zerstörten die israelischen Streitkräfte unter anderem die syrische Marine und die Chemiewaffen des Assad-Regimes. Außerdem rückten sie in den Golanhöhen vor, eine eigentlich demilitarisierte und offiziell von Syrien kontrollierte Zone.

Was macht die Regierung in Damaskus?

Die Übergangsregierung unter Präsident al-Sharaa hat Mühe, die Vielzahl bewaffneter Gruppen zu kontrollieren, die sie beim Sturz Assads unterstützten. Viele dieser Milizen sind stark radikalisiert und agieren weiter auf eigene Faust. Die ethnischen und religiösen Minderheiten im Land trauen den neuen Machthabern nicht über den Weg und auch nicht zu, weitere Bluttaten im Land unterbinden zu können – oder tatsächlich zu wollen. Sowohl Kurden als auch Drusen beharren daher auf ihrer Autonomie.

Die Berichte über Angriffe von Islamisten auf Drusen zeigten, dass al-Sharaas Regierung "keine vollständige Kontrolle über die islamistischen Milizen im Land" habe, sagte Khaled Davrisch, der die kurdische Selbstverwaltungszone in Nordostsyrien in Deutschland vertritt. "Nur durch eine Dezentralisierung des Landes mit Rechten für alle Bevölkerungsgruppen wird es Stabilität in Syrien geben."

{title && {title} } 20 Minuten, {title && {title} } Akt. 02.05.2025, 08:41, 02.05.2025, 08:19