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"Gezielter Anschlag" – Gas-Gefahrenzone in Ostsee

Plötzlich aufgetretene Lecks in den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 lassen riesige Mengen Gas austreten. Experten sprechen von Sabotage.

Nahe der Insel Bornholm verwandelt das entweichende Gas die Ostsee in ein brodelndes Schaumbad.
Nahe der Insel Bornholm verwandelt das entweichende Gas die Ostsee in ein brodelndes Schaumbad.
Dänische Streitkräfte via Reuters

In den beiden deutsch-russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 ist es am Montag zu einem starken Druckabfall gekommen. Dänische Behörden meldeten daraufhin gleich "gefährliche" Gaslecks und errichteten südlich von Dueodde und nordöstlich der Insel Bornholm sofort Sperrzonen für die Schifffahrt – "Heute" berichtete.

Mittlerweile haben die dänischen und norwegische Streitkräfte nach einem Helikopter-Überflug auch Bilder und Videomaterial von der Krisen-Stelle veröffentlicht. Sie zeigen das riesige Ausmaß des brodelnden Lecks:

Die dänische Fregatte "Absalon" und das Umweltschiff "Gunnar Thorson" sind unterwegs, um Wasserüberwachung in den Sperrzonen durchzuführen, und auch die norwegischen Streitkräfte unterstützen mit Hubschraubern.

"Keinen Zweifel" an Sprengungen

Schwedische Experten gehen derweil davon aus, dass geplante Sprengungen zu den Lecks an den Nord-Stream-Pipelines geführt haben. So seien mächtige Unterwasser-Explosionen registriert worden.

"Es gibt keinen Zweifel daran, dass es sich um Sprengungen handelt", sagte Björn Lund, Professor für Seismologie beim schwedischen nationalen seismischen Netzwerk, gegenüber "Focus". "Man kann sehr deutlich sehen, wie die Wellen vom Meeresgrund an die Oberfläche springen." Es soll laut Lund mindestens zwei Explosionen gegeben haben, eine von ihnen wurde gleich an 30 Messstationen registriert.

Unfall ausgeschlossen

Auch die deutsche Regierung gehe von einem gezielten Angriff aus, schreibt der "Focus" weiter. "Unsere Fantasie gibt kein Szenario mehr her, in dem das kein gezielter Anschlag ist", so eine durch die Regierung eingeweihte Person.

Auch der norwegische Militärwissenschaftler und Marineoffizier Tor Ivar Strömmen hält einen russischen Sabotageakt für die wahrscheinlichste Erklärung für die Lecks an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2. "Lecks an Gaspipelines sind extrem selten. Lecks an drei verschiedenen Orten mit so großer Entfernung dazwischen können nur die Folge eines vorsätzlichen Akts oder von Sabotage sein", sagte Strömmen am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP.

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    Ein halbes Jahr nach den Explosionen haben dänische Behörden ein unbekanntes Objekt an der Nord-Stream-Pipeline entdeckt.
    Ein halbes Jahr nach den Explosionen haben dänische Behörden ein unbekanntes Objekt an der Nord-Stream-Pipeline entdeckt.
    HANDOUT, DANISH MINISTRY OF DEFENCE / AFP / picturedesk.com

    Stecken die Russen dahinter?

    Die Nord-Stream-Leitungen seien zudem recht neu, im Fall von Nord Stream 2 sogar sehr neu. Da bleibe eigentlich nur Sabotage als Erklärung. Zugleich komme einzig Russland für ihn als Verantwortlicher infrage: "Ich sehe nur einen möglichen Akteur und das ist Russland", führte der Offizier aus. Moskau wolle die Verantwortung für die Einstellung seiner Gaslieferungen nicht übernehmen.

    Dasselbe Muster sei schon zu beobachten gewesen, als von russischer Seite der Betrieb von Nord Stream 1 unter Verweis auf nötige Wartungsarbeiten eingestellt wurde. Seither loderte in der russischen Nord-Stream-Verdichterstation an der Grenze zu Finnland auch eine riesige Gasflamme. Putin ließ dort all das zurückgehaltene Erdgas abfackeln.

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      An der Grenze zu Finnland verbrennt Russland in einer riesigen Flamme Gas, das eigentlich nach Deutschland exportiert werden würde.
      An der Grenze zu Finnland verbrennt Russland in einer riesigen Flamme Gas, das eigentlich nach Deutschland exportiert werden würde.
      REUTERS (Archivbild)