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Ist Experte der Sportstudie gar kein Experte?

Heute Redaktion
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Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verkündete in einer Pressekonferenz neue Empfehlungen, die auch Jogger und Radfahrer betreffen. Doch die Studie, auf die er sich bezieht, wird mit Skepsis aufgefasst.

Ab Mai sind Sportarten wie Bogenschießen, Tennis oder Golf wieder erlaubt. Eine ziemlich klare Ansage. Ein wenig undurchsichtiger wurde es bei den Empfehlungen zu Sportarten, die bereits jetzt erlaubt sind: Laufen und Radfahren. Hier wies der Sportminister auf eine Forschung hin, die errechnet haben soll, dass der Mindestabstand beim Joggen 10 Meter betragen soll. Beim Radfahren sogar 20 Meter. Eine Lösung laut Kogler: "Diagonal versetzt laufen".

Die "schreckliche Simulation"

Das Problem dieser holländisch-belgischen Studie, auf die sich der Vizekanzler mit hoher Wahrscheinlichkeit bezieht, ist jedoch, dass sie aktuell ziemlich stark kritisiert wird. Die Arbeit wurde nämlich niemals offiziell veröffentlicht. Einer der Forscher ist Bert Blocken, Professor an der Technischen Universität von Eindhoven. Er brachte auch den Stein ins Rollen, der jetzt für ordentlich Gesprächsstoff in der Wissenschaftsszene sorgt.

Blocken twitterte nämlich über seine Ergebnisse und gab Interviews. Zusätzlich veröffentlichte er die 12-seitige Studie auf der Homepage der Universität. Innerhalb kürzester Zeit ging die Arbeit auf sämtlichen Social-Media-Kanälen viral. Kurz darauf sprangen auch Medien wie die "Daily Mail" darauf auf. Titelten über die "Schreckliche Simulation, welche die Gefahren vom Jogging zeigt". Es gehe nämlich darum, dass die Tröpfchen beim Laufen stärker aus Mund und Nase austreten. Aufgrund der Geschwindigkeit und dem daraus entstehenden Gegenwind, würden diese weiter und länger nach hinten getragen werden. Die Lösung wäre dementsprechend eine große Distanz oder das Diagonale laufen.

Ein Ratschlag, bei dem der Epidemologe William Hanage der Blutdruck hochgeht. Der Harvard-Wissenschaftler findet, dass die Studie von Blocken ein "bescheidener Beitrag" sei. Denn noch wisse man nicht, wie sich das Virus außerhalb von geschlossenen Räumen verhält. Er fügt zudem hinzu: "Es heißt nicht, dass man direkt infiziert ist, wenn man Tröpfchen abbekommt." Denn es wird derzeit noch erforscht wie groß ein Tröpfchen überhaupt sein muss, um die Viren zu transportieren. Möglich wäre beispielsweise, dass große Tröpfchen eventuell stärkere "Covid-19-Transporter" seien, aufgrund des Gewichts aber eher zu Boden fallen. Das wäre beim Joggen beispielsweise der Fall.

Wie der Wind sich dreht

Die Studie sei nicht zu gebrauchen, meint Hanage. Besonders weil Blocken die Tests in einer "sterilen Umgebung" durchführte. Und zwar in einem Windkanal. Bedeutet: Der Wind kam immer von vorne und verteilte die Tröpfchen direkt hinter die Läufer. Aus diesem Grund empfahl der Ingenieur in seiner Arbeit auch das diagonale Laufen. Nicht einberechnet wurden aber Winde von der Seite, von hinten oder auch komplette Windstille. Je nach Wetterlage würden sich die Tröpfchen anders verhalten. Selbst die Umgebung könnte entscheidend sein.

Nach der Kritik ruderte Blocken ein wenig zurück. Er wollte mit seiner Studie lediglich ein Bewusstsein für Distanz schaffen. Die Leute sollten die Abstandsregeln einhalten und lieber mehr Abstand halten als weniger.

Ein Tipp, den auch Linsey Marr, Virus-Expertin, unterstützt. Jedoch betont auch sie gegenüber "Wired", dass es keinerlei Anhaltspunkte darüber gibt, wie infektiös Jogger oder Radfahrer sind. Die Studie selbst würde eben nur dann gelten, wenn der Wind direkt von vorne kommt. Und auch da müsse man bedenken, dass nicht alle Tröpfchen einen Infekt hervorrufen.

Sport ist wichtig - darüber sind sich alle einig

Eine veröffentlichte Studie des Cold Spring Harbor Laboratorys zeigt sogar, dass es nur sehr wenige bestätigte Freiluft-Ansteckungen gibt. Konkret untersuchte man 318 Fälle, bei dem mindestens drei Personen angesteckt wurden. Bei nur einem einzigen Fall wurde eine Ansteckung außerhalb eines geschlossenen Raumes nachgewiesen.

Weitere Experten raten sogar dazu Sport zu machen und an die frische Luft zu gehen. Denn dadurch würde man das Immunsystem stärken, was besonders jetzt wichtig ist. Immunologe David Niemand meint gegenüber "Wired", dass man die Verbreitung des Virus auch gering halten kann wenn man Sport macht.