Zwischen jenen "Bürgerbewegungen", die seit Monaten die Corona-Proteste in Österreich organisieren, werden die Gräben immer tiefer. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon wollte die Demonstration am Samstag boykottieren. Grund sind die Gewalteskapaden der vergangenen Veranstaltungen. Polizisten wurden mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen, dabei sogar zu Boden gestoßen, als Krönung wurden sogar eigene Mitdemonstrierende attackiert, Journalisten bedrängt und angegriffen.
Auf Kanälen wie Telegram wird der Ton ebenso rauer: Demo-Teilnehmer wähnen sich dort im "Bürgerkrieg", Organisatoren sprechen Gewalt zumindest zwischen den Zeilen an. Angedeutet wird jedenfalls von einigen Teilen der Szene, dass Gewalt durchaus akzeptiert werde, denn "anders", friedlich, brächte das Demonstrieren nichts mehr. Nun schaltet sich eine neue Stimme ein, nämlich die Organisatorin eines mittlerweile geräumten Corona-Protestcamps im Wiener Stadtpark, die sich seit geraumer Zeit im "Widerstand" wähnt.
„FPÖ und Herbert Kickl? "Ihr seids unfähig, irgendwas zu machen"“
Man müsse "natürlich unter Anführungszeichen friedlich bleiben", so K. in einem Social-Media-Video, "aber wie lange wollen wir jetzt noch der Polizei nachgehen? Wollen uns noch kesseln lassen? Wollen uns traktieren lassen?" Die Beteiligung der FPÖ bei den Corona-Demos ist K. ein Dorn im Auge, FPÖ-Chef Herbert Kickl solle "nach Hause gehen und daheim bleiben", denn: "Ihr seids unfähig, irgendwas zu machen." Wer glaube, dass die FPÖ oder die MFG "uns von dem ganzen Shit, der da draußen passiert, befreit", der sei "am Holzweg", denn auch die FPÖ stehe für Maßnahmen wie Masken, Tests und Abstand.
"Herr Kickl, Sie sind der Verursacher des Stillstands des Widerstandes, des wahren Widerstandes, Sie halten den Widerstand auf", so K. Einem Bus nachzulaufen und Partylieder zu singen, sei lächerlich, "seids ihr noch ganz dicht?", so K. "Wir feiern keine Party, wir sind im Widerstand, verdammt!" Man kämpfe "gegen ein Regime". Man gehe nun seit 21 Monaten auf die Straße, bewegt habe sich dabei nichts, aber die Demo-Teilnehmer würden trotzdem Party auf den Straßen feiern. Die Politik lasse sich nicht "von dem lächerlichen Haufen, der da auf der Straße ist", beindrucken, so die Aktivistin.
„"Und das ist ein jämmerlicher Haufen (...) weil alle an Fetzn aufsetzen"“
"Und das ist ein jämmerlicher Haufen", so K. zu den Demonstranten, "weil alle an Fetzn aufsetzen", "langsam aber sicher fühl i mi verorscht". Auch bezweifelt K., dass wie von den Organisatoren angegeben tatsächlich 100.000 Menschen auf den Straßen gewesen seien. K.s "Tipps" für Demo-Teilnehmer, die wirklich einen Beitrag leisten wollen: Sie sollen Tests, Masken und Impfungen überall verweigern, Dauer-Streiken und -Krankmelden, alle "unnötigen" Versicherungen abmelden, keine Krankenversicherung mehr zahlen, keine Steuern mehr zahlen, GIS abmelden, Arzt- und Spitalbehandlungen und alles andere, um "das System" nicht mehr zu finanzieren. Dem "wahren Widerstand" sei es "wurscht", wenn ihm das AMS-Geld gestrichen werde.
Wie man dann überleben soll? "Ein bissl sparen und zammstehen", so K. Man könne etwa bei Bauern "im Widerstand" arbeiten und dafür einen Essenskorb bekommen oder Tauschhandel einführen. Denn sonst, so K.s Angst, stehe man in 20 Jahren auch noch auf der Straße "und sie werden uns richtig in Orsch f.....". Man wisse gar nicht, wie korrupt "die da ganz oben" seien, womit K. nicht "die Politiker" meine, denn die seien "nur Marionetten". Außerdem sterbe sie lieber, als sich von "diesen" Ärzten behandeln zu lassen, so K. Einen Aufruf setzt es auch noch: Menschen sollten sich Journalisten-Ausweise zulegen und sich damit in Parlaments-Sitzungen setzen, um dort "Stunk" zu machen – ein Aufruf, den wohl die Polizei auch ganz genau beobachten wird.
„"Abrüsten der Worte auf allen Seiten"“
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte erst bei seinem großen TV-Interview am Sonntagabend ein "Abrüsten der Worte auf allen Seiten" gefordert. Es gebe viele besorgte und verunsicherte Österreicher, so der Kanzler, für sie gebe es ein Gesprächsangebot und sie sollten auch den Dialog mit Ärzten suchen. Kein Verständnis habe Nehammer aber für "neue und alte Rechtsextreme" sowie gewaltbereite Gruppen bei den Corona-Protesten, hier würden die Besorgten und Verunsicherten "missbraucht und instrumentalisiert".
Nehammer sprach auch die FPÖ direkt an. Kickls Sprache sei sehr aggressiv, sie sei "derzeit nicht" regierungsfähig, sondern in einem "Selbstfindungsprozess". In Sachen Corona konnte Nehammer einen neuen Lockdown nicht ausschließen, vor allem wegen der neuen Omikron-Variante. "Das Virus kommt mit Sicherheit zurück", so der Kanzler, man habe jetzt nur eine Atempause. Die geplante Impfpflicht sei "Ultima ratio", so Nehammer, der Feind sei das Virus und nicht die Impfung oder die Menschen untereinander.