Politik

Kanzler-Kampfansage: "Werden nicht in die Falle tappen"

Am Nachmittag gedenkt die Bundesregierung der Opfer des 2. November. "Die Wunden sind tief. Und sie schmerzen noch", sagt etwa der Kanzler.

Leo Stempfl
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Bundeskanzler Alexander Schallenberg will trotz des Anschlags keine Spaltung der Gesellschaft zulassen.
Bundeskanzler Alexander Schallenberg will trotz des Anschlags keine Spaltung der Gesellschaft zulassen.
FLORIAN WIESER / APA / picturedesk.com

Am Allerseelen-Dienstag jährt sich der Wiener Terroranschlag zum ersten Mal. Der 20-jährige Attentäter töte vier Menschen, die den letzten, lauen Tag vor dem Lockdown genossen. Über 20 weitere wurden teils schwer verletzt, nach neun Minuten wurde der Terrorist selbst erschossen.

An den Behörden gab es unmittelbar danach heftige Kritik. Während die ÖVP die Schuld der grünen Justizministerin zuwiesen, kamen später immer mehr Verfehlungen des Verfassungsschutzes ans Licht. Der heutige Jahrestag soll aber ganz im Gedenken der Opfer und ihrer Angehörigen stehen.

Zahlreiche Gedenk-Events

Aus diesem Anlass finden zahlreiche Gedenkveranstaltungen in der Stadt statt. Am späten Nachmittag steht eine Gedenkveranstaltung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und weiteren Vertretern der Bundesregierung, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Kardinal Christoph Schönborn in der Ruprechtskirche auf dem Plan.

Bereits am Vormittag wurde beim Gedenkstein auf dem Desider-Friedmann-Platz ein Kranz niedergelegt. Neben der gesamten Stadtregierung mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an der Spitze waren auch Hinterbliebene der Opfer anwesend. Der Desider-Friedmann-Platz ist einer der Tatorte im Bermudadreieck, dessen Lokale an jenem lauen Herbsttag auch am Abend voll waren.

Brutale Fratze

Der 2. November ist ein Datum, welches wohl ewig mit diesen Ereignissen in Verbindung gebracht werden wird, befindet Bundeskanzler Alexander Schallenberg in seiner Rede einleitend. "Es ist der Tag, an dem der Terror auch in Österreich seine brutale Fratze gezeigt hat. Die Ideologie des islamistischen Fundamentalismus, die unsere Gesellschaft und unsere Lebensweise zutiefst und hasserfüllt ablehnt."

"Die Wunden sind tief. Und sie schmerzen noch."

Was die Hinterblieben der Opfer im vergangenen Jahr durchlitten haben, könne man sich kaum ausmalen. "Ihnen allen gilt unser tiefempfundenes Mitgefühl", so Schallenberg. 

Zusammenhalt

In den dramatischen Stunden hat sich aber auch der Zusammenhalt unter den Menschen gezeigt. "Wir erinnern uns an Menschen, die einander in diesen verwirrenden und aufwühlenden Stunden Schutz und Obdach gewährt haben." Unterdessen versorgten die Rettungskräfte körperliche als auch seelische Wunden.

"So niederträchtig und unmenschlich die Tat des Terroristen war, so menschlich war der Einsatz all derer, die in dieser Stunde geholfen haben."

"Wir erinnern uns an unsere mutigen Polizistinnen und Polizisten sowie Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Täter entgegengestellt haben. Manche unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Manche, obwohl sie nicht einmal im Dienst waren."

Intoleranz den Intoleranten

Schallenberg wird philosophisch, zitiert den österreichischen Sir Karl Propper: "Wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen."

"Hass, Intoleranz und Extremismus haben keinen Platz in unserer offenen, pluralistischen Gesellschaft!"
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    Vor genau einem Jahr hat sich in der Wiener Innenstadt ein Terroranschlag ereignet.
    Vor genau einem Jahr hat sich in der Wiener Innenstadt ein Terroranschlag ereignet.
    Sabine Hertel

    Genau das will man aber nicht zulassen. "Im Namen der Toleranz werden wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren!" Sei es Radikalisierung aus In- und Ausland, online oder offline, oder Missbrauch von Religion im Namen des Terrors. Wer dadurch Hass oder Zwietracht säen will, muss mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen.

    Falle

    Wir werden nicht in die Falle tappen, aufgrund barbarischer und menschenverachtender Anschläge von Einzelnen, ganze Gruppen oder Religionsgemeinschaften von unserer Gesellschaft auszuschließen. Dem Terrorismus darf es nicht gelingen, die in Österreich lebenden Menschen zu spalten. "Unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft ist stärker."

    "Dafür müssen wir uns aber dieser Stärke bewusst sein und uns gemeinsam dem Hass in all seinen Formen entgegenstellen. Damit die Täter und ihre Gleichgesinnten künftig keine Chance haben. Das ist unsere Verpflichtung", sagt Schallenberg abschließend.

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      Am ersten Jahrestag des Terror-Anschlags in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020 gedachten Hinterbliebene und die Wiener Stadtregierung  den Opfern. Stadtchef Michael Ludwig legte einen Kranz nieder.
      Am ersten Jahrestag des Terror-Anschlags in der Wiener Innenstadt am 2. November 2020 gedachten Hinterbliebene und die Wiener Stadtregierung den Opfern. Stadtchef Michael Ludwig legte einen Kranz nieder.
      Sabine Hertel