Am Montag erhielt er den Regierungsbildungsauftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, am Dienstag kündigte er Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP an, für die die FPÖ am Dienstagabend auch grünes Licht aus dem Präsidium bekam: FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte nun, laufen die Gespräche glatt, neuer Bundeskanzler Österreichs werden. In der ORF-"ZIB2" ordneten der freiheitliche Publizist Andreas Mölzer und Kickl-Biograf Gernot Bauer die Lage ein.
Vor etwa 30 Jahren sei Kickl als junger Philosophie-Student von der FPÖ eingestellt worden, da sei nicht abzusehen gewesen, dass er einmal Chef der freiheitlichen Partei werde, unter dem späteren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache habe sich das aber abgezeichnet, so Mölzer. Die Entlassung als Innenminister, "das war so eine Zäsur für ihn persönlich", diese habe "Rachegelüste" und "Wut" auf den Bundespräsidenten entfacht, so Bauer. Dann habe er aber auch entdeckt, dass er das Talent zur Nummer 1 habe.
Ab da habe das "Mobbing" von FPÖ-Grande Norbert Hofer begonnen, er habe die große Chance gesehen, die Macht zu übernehmen, so Bauer. Und dann habe die Corona-Krise das Übrige geleistet: "Ein Kanzler Kickl ist ohne Corona nicht denkbar." Und wie solle die Koalition mit der ÖVP funktionieren? "Das wird keine Liebesheirat" wie bei Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz sein, "auch kein Freundesbund, sondern so hoffe ich eine professionelle Zusammenarbeit", schätzte Mölzer ein. Auch sei die Legende vom einsamen Wolf übertrieben.
Kanzler wider Willen in einer beispiellosen Wirtschaftskrise werde Kickl jedenfalls nicht, er könne nun "seine Forderungen hochfahren", weil ihm sowieso noch die Möglichkeit der Neuwahlen offenstehen würde, attestierte Bauer. Und wie werde Kickl "das System" bekämpfen, wenn er und die FPÖ wie niemand anderes dieses System darstellen würden, fragte Moderator Armin Wolf nach. Der Begriff stehe "allegorisch für das etablierte politische Gefüge", die Leute wüssten, "was gemeint ist", so Mölzer – auf Dauer werde das Arbeiten gegen Eliten für die FPÖ aber nicht funktionieren.
Der Plan von Kickl sei eine illiberale Demokratie wie von Ungarns Viktor Orbán, attestierte Bauer, in Europa sehe man sich verstärkende Tendenzen dahingehend, die gegen ein gemeinsames Europa arbeiten würden. "So leicht wird es Kickl nicht fallen", anders als Orbán habe er keine absolute Mehrheit, so Bauer. Mölzer verteidigte Kickl jedoch sofort: Niemand in der FPÖ habe behauptet, eine illiberale Demokratie zu wollen und kein Freiheitlicher habe den Rechtsstaat infrage gestellt.
Kickl selbst habe erklärt, das Recht müsse der Politik folgen, warf Moderator Wolf ein. "Da war ganz einfach das gemeint, dass die parlamentarische Politik Recht setzt", so Mölzer, "und das ist ja unbestreitbar". Und wie solle eine FPÖ-ÖVP-Koalition in der Außenpolitik funktionieren, wenn eine Partei gegen die EU wettere? Die FPÖ sei gegen den Zentralismus, "aber sicher nicht prinzipiell gegen die europäische Integration", so Mölzer. Übrigens: Eine Koalition sei alternativlos, so Mölzer, denn sollte sie nicht zustande kommen, dann käme es zu Neuwahlen, "allerdings mit einer FPÖ mit zehn Prozent mehr", so Mölzer.