Politik

Ton-Panne überschattet großes Kanzler-Interview

Eine Woche nach seiner Angelobung gab es nun das erste große TV-Interview von Neo-Kanzler Nehammer bei Armin Wolf und Corinna Milborn.

Leo Stempfl
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Bundeskanzler Karl Nehammer im ersten großen TV-Interview.
Bundeskanzler Karl Nehammer im ersten großen TV-Interview.
Chris Glanzl/PULS 4.

Nicht sofort, aber immerhin wenige Tage nach Amtsantritt begann der Interview-Marathon des neuen Bundeskanzlers Karl Nehammer. TV-Interview wird es nur eines geben, doch das soll es in sich haben: 30 Minuten lang, live, gratis für alle Sendeanstalten, die Fragen kommen von ZiB-Anchor Armin Wolf und Puls 4-Infochefin Corinna Milborn.

Nie wieder Lockdown – Garantieren Sie das, Herr Kanzler? Nehammer im "Heute"-Interview >>

Spektakulär war auch der Ort des Interviews, der Marmor-Ecksalon im Kanzleramt. Zu Zeiten von Kreisky war er Wartezimmer, als 2004 für Innenräume ein Rauchverbot erlassen wurde, war es ein Raucherbereich, wieder später fanden Erhebungen etwa in den Professorenstand statt. Die ältere Historie ist einiges düsterer: Am 25. Juli 1934 wurde hier der austrofaschistische Diktator Engelbert Dollfuß erschossen.

Der Kanzler hallt

Das erste Thema war natürlich die Pandemie, doch das Interview begann mit einer Panne: Man hörte den Bundeskanzler doppelt. Jedenfalls betonte er, von Armin Wolf auf den Maßnahmen-Fleckerlteppich angesprochen, dass man hier lediglich einen Mindeststandard vorgegeben habe, die Landeshauptleute können härtere, individuelle Maßnahmen erlassen.

Wie alle paar Monate kritisierte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger den härteren Weg der Hauptstadt Wien, die mit ihren Maßnahmen aber bisher besser durch die Krise gekommen ist. Nehammer erzählte, er habe mit seiner Kollegin über eine "Abrüstung der Worte" gesprochen, sie also zum Rapport gebeten. "Ich habe in meinem Altgriechisch-Unterricht gelernt: Die Zunge ist schärfer als das Schwert."

Die Worte des FPÖ-Chefs Herbert Kickl könnten großen Schaden anrichten, lieber solle man einem Arzt vertrauen. Der Kanzler, den man an dieser Stelle immer noch zu einem großen Teil doppelt hörte, sprach in diesem Kontext von Echokammern.

Die Fragen kamen von ZiB-Anchor Armin Wolf und Puls 4-Infochefin Corinna Milborn.
Die Fragen kamen von ZiB-Anchor Armin Wolf und Puls 4-Infochefin Corinna Milborn.
ORF2

Impfziel und nächste Welle

Welche Impfquote will man durch die Pflicht konkret erreichen? Der neue Kanzler wich auch beim zweiten Nachfragen anfangs aus, betonte, dass sie die "ultima ratio" darstellt und zog einen Vergleich zu den südlichen Ländern. Die Tonprobleme hielten hier noch an, es war plötzlich das "ZiB"-Intro zu hören. Eine konkrete Zahl nannte Nehammer nicht, klar sei: Die Quote müsse nach oben.

Ins Wirtshaus darf man nur mit 2G, in die Arbeit aber acht Stunden lang ungeimpft. Wie ist das epidemiologisch zu erklären? Es gehe hierbei um den Wirtschaftsmotor, eine "gesamtgesellschaftliche Priorität", erklärte der Bundeskanzler. Politisches Gezerre gibt es aktuell auch um die Ärzte, die Menschen von der Impfpflicht befreien können. Wäre es hier nicht besser, das auf Amtsärzte zu beschränken, um die Hausärzte keinem Druck auszusetzen? "Die Gesundheitsbehörden, der Gesundheitsminister haben sich hier viel überlegt, wie das machbar ist", so Nehammer. Es geht also um die Durchführbarkeit.

"Die Experten rechnen mit der nächsten Welle im Jänner", warnt Nehammer, der dritte Stich sei deswegen besonders entscheidend. "Ich bin ein Lernender", er wollte deswegen keine falschen Versprechungen haben. Einen neuerlichen Lockdown würde wohl kein Experte ausschließen, so der Kanzler.

Weite Teile des Interviews war der Kanzler doppelt zu hören.
Weite Teile des Interviews war der Kanzler doppelt zu hören.
ORF2

Dollfuß war Faschist

Das vierte Mal in Folge entstammt der Innenminister dem ÖVP-Arbeitnehmerbund, ist das ein Zufall? Die Entscheidung für Gerhard Karner war Karl Nehammer schnell klar, der Hintergrund spielte hier keinerlei Rolle, wurde im Vorhinein auch nicht bedacht. In diesem Kontext kam das Gespräch zum Thema Dollfuß, betreibt die Gemeinde Karners doch ein entsprechendes Museum.

"Ich schaue genau in das Eck, in dem Dollfuß erschossen wurde", nichtsdestotrotz sei der Raum ein Symbol der Republik. Das Kreisky-Zimmer müsse eigentlich Julias Raab Zimmer heißen, befand Nehammer einschiebend, denn dieser habe es errichtet. Der Raum sei das Symbol des Triumphs der Demokratie über die Diktatur, er habe auch kein Problem, den Begriff "Austrofaschismus" zu benutzen. Karl Nehammer ist somit der erste ÖVP-Spitzenpolitiker, der das Dollfuß-Regime auch als Austrofischismus bezeichnet, stellte Armin Wolf fest. In diesem Kontext vergleicht der neue Kanzler das aber auch mit dem "Austromarxismus".

Nicht nur Sebastian Kurz, sondern auch die ganze Volkspartei wird in der Korruptionsaffäre als Beschuldigte geführt. Natürlich sei das nicht angenehm, "ich hätte mir einen besseren Einstieg gewünscht". Aber die Unschuldsvermutung sei keine Kleinigkeit, den minutenlangen Hinweis darauf hörte man aber vermutlich aus anderen Gründen wieder doppelt.

Ist Wolfgang Sobotka (ÖVP) parteiisch?

Im U-Ausschuss zu dieser Causa führt erneut Wolfgang Sobotka (ÖVP) den Vorsitz, dieser Fakt zog schon beim Ibiza-U-Ausschuss herbe Kritik von allen Parteien nach sich. Diese "Generalverdacht", Sobotka als parteilich darzustellen, sei immer Ansichtssache. Es gäbe keinen "konkreten, nachvollziehbaren Vorwurf". Auch wenn der Koalitionspartner hier in der Vergangenheit einige Punkte zur Sprache brachte.

Abschließend: Wie dünn ist das Eis in der Koalition? Nehammer zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition noch hält, man habe ein gutes Programm und eine gute Mehrheit. Dünner ist das Eis wiederum beim Thema Migration, auch einzelne Frauenrechtlerinnen will man aber nicht aufnehmen. "Man darf ein System nicht überfordern", so Nehammer, der Wohlfahrtsstaat könne nur so erhalten werden.

Armin Wolf entschuldigte sich abschließend für die Ton-Probleme.

    Mehrere Initiativen protestierten gegen die Angelobung.
    Mehrere Initiativen protestierten gegen die Angelobung.
    GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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