Politik

"Kein konkreter Zeitplan" für Polizeigewalt-Meldestelle

Seit nunmehr über 2,5 Jahren wird über die Schaffung einer unabhängigen Meldestelle für Polizeigewalt verhandelt – nach wie vor ohne Ergebnisse.

Leo Stempfl
Insbesondere bei Demonstrationen kommt es oft zu Vorwürfen gegen die Polizei. Ermittelnde Behörde ist im Anschluss die Polizei selbst.
Insbesondere bei Demonstrationen kommt es oft zu Vorwürfen gegen die Polizei. Ermittelnde Behörde ist im Anschluss die Polizei selbst.
Lisi Niesner

Es war ein vermeintlich großer Durchbruch im türkis-grünen Regierungsprogramm: Eine langjährige Forderung der Grünen sollte darin endlich erfüllt werden. Für die aktuelle Legislaturperiode versprach man eine "konsequente und unabhängige Ermittlung bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamte."

Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte das "in einer eigenen Behörde in multiprofessioneller Zusammensetzung" passieren. Diese kann dann sowohl von Amts wegen ermitteln als auch als Beschwerdestelle für Betroffene fungieren und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet sein.

Ergebnisse für Herbst 2020 versprochen

Wenige Monate, nachdem die türkis-grüne Regierung ihre Arbeit aufnahm, kündigte ein Sprecher des damaligen Innenministers Karl Nehammer erste Ergebnisse für den Herbst 2020 an. Mit der Umsetzung sei in der ersten Jahreshälfte 2021 zu rechnen. Eine Arbeitsgruppe bestehend aus zahlreichen Experten hat dazu im Spätsommer 2020 ein Konzept erarbeitet und der Koalition übermittelt.

Der Grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr erklärte im Jänner 2022, dass sich das Projekt wegen der Wechsel im Amt des Innenministers und des ÖVP-Sicherheitssprechers weiter verzögerte, aktuell arbeite man immer noch an der konkreten Ausgestaltung. Laut damaligem Stand sollte die Behörde im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt werden, die allerdings erst recht wieder im Innenministerium liegt. Die Grünen hofften jedenfalls auf eine Finalisierung im Frühjahr 2022.

In jenem Frühjahr 2022 gab es schließlich eine Podiumsdiskussion der Menschenrechts-NGO "Amnesty International" zu diesem Thema. Bürstmayr betonte, dass die Verhandlungen schon recht weit sind: "Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir das heuer zusammen bringen."

Neue Anfrage

Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz hat deswegen versucht, mit einer neuen, parlamentarischen Anfrage zu erfahren, wie es um das Projekt steht. Die entsprechende Beantwortung liegt "Heute" vorab vor. Zu einem Großteil wird darin allerdings auf eine gleichlautende Anfrage aus dem Juli 2021 verwiesen.

Neu ist, dass es in der Zwischenzeit fünf Gespräche mit dem ÖVP-Nationalratsabgeordneten Christian Stocker gab. Darüber hinaus habe man sich mit mehreren Modellen in anderen Ländern Europas befasst, doch "es hat sich bislang keines dieser europäischen Modelle als zielführend für Österreich herauskristallisiert."

"Kein konkreter Zeitplan"

Nach einigen weiteren Verweisungen auf die Anfrage des vergangenen Jahres heißt es auf die Fragen 15 bis 42 und 44 bis 45: Die Willensbildung sei noch nicht abgeschlossen, nach wie vor laufe die regierungsinterne Abstimmung. "Es gibt keinen konkreten Zeitplan." Einziger Anspruch: "Mit Ausnahme der auf Grund des aktuellen Regierungsprogramms vereinbarten Umsetzung in dieser Gesetzgebungsperiode gibt es keine zeitlichen Vorgaben."

Für die SPÖ-Abgeordnete Yilmaz wird die Strategie des Innenministers deswegen immer klarer: "Die Beschwerdestelle so lange verzögern, verschleppen und schubladisieren bis sich das Thema durch vorgezogenen Neuwahlen für die ÖVP erübrigt hat", sagt sie zu "Heute". "Für moderne, transparente und menschenrechtsorientierte Polizeiarbeit braucht es auch eine institutionalisierte Reflexionskultur – genau dafür braucht es eine unabhängige Beschwerdestelle bei Missbrauchsvorwürfen und Polizeigewalt."

Auf unbewaffneten 14-Jährigen geschossen

Auf den drängenden Bedarf weisen dutzende Menschenrechtsorganisationen bereits seit Jahren hin. Immer wieder kommen Fälle ans Tageslicht, bei denen Menschen ungerechtfertigt Gewalt oder gar einer Inhaftierung ausgesetzt werden. Oftmals rettet dann nur eine später entdeckte Video-Aufnahme.

So berichtete "Heute" etwa über den Fall eines Demonstrationsteilnehmers, der festgenommen wurde, drei Tage lang ins Gefängnis musste und anschließend mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Haft der Prozess gemacht wurde. Nur eine zufällig gemachte Videoaufnahme konnte beweisen, dass es sich um eine einfache Verwechslung gehandelt hat. Eine folgende Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei hatte Erfolg.

Oftmals läuft aber keine Kamera. Ein Fehlverhalten zu beweisen ist dann ein Ding der Unmöglichkeit. Laut Justizministerium gab es etwa zwischen Anfang 2017 und Mai 2019 3.677 Misshandlungsvorwürfe. 1.433 Mal wurden überhaupt keine Ermittlungen eingeleitet, in 2.223 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, 21 Fälle wurden verurteilt. Ermittelnde Behörde ist die Polizei selbst – so auch in einem aktuellen Fall aus Tirol, wo zwei Polizisten neun Mal auf die Rückseite eines feststeckenden Kastenwagens schossen, in dem drei unbewaffnete Teenager saßen. Ein 14-Jähriger wurde zwei Mal getroffen.

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