Die Zustimmung in beiden US-Kammern war überwältigend: Im vergangenen Jahr stimmten sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat dafür, dass die TikTok-Mutter ByteDance ihr US-Geschäft innerhalb eines Jahres verkaufen muss - sonst wird der Zugang zur Plattform gesperrt.
Der Grund: ByteDance wird der Spionage beschuldigt. Das Gesetz soll die USA davor schützen. ByteDance hat sich bisher geweigert zu verkaufen. Damit tritt das Verbot am 19. Januar in Kraft. TikTok versucht aktuell, es vor dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court) abzuwenden. Das könnte passieren:
TikTok argumentiert, das Verbot schränke die Meinungsfreiheit ein. Dieses Argument hat jedoch noch kein Gericht überzeugt. Verschiedene US-Juristen halten es für am wahrscheinlichsten, dass auch der Oberste Gerichtshof den Antrag von TikTok ablehnen wird. Denn die Gerichte gewichten die These, dass TikTok eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt, höher als eine mögliche Gefährdung der Redefreiheit.
Der Jurist Jim Gibson von der University of Richmond sagte der Schweizer NZZ: "Die Urteile der Vorinstanzen deuten darauf hin, dass es sich um einen Fall der nationalen Sicherheit handelt, und die Gerichte respektieren den Kongress in Fragen der nationalen Sicherheit". Sollte das Höchstgericht den Antrag also ablehnen, würde TikTok laut ByteDance ab dem 19. Februar sofort offline gehen, 170 Millionen Nutzer wären betroffen. Unzählige Influencer würden ihre Einnahmequelle verlieren. Bereits gezahlte Werbegebühren will ByteDance aber zurückerstatten.
Das Gericht könnte nach der Anhörung zum Fall, die am kommenden Freitag stattfindet, seine Entscheidung vertagen und das Gesetz per einstweiliger Verfügung vorerst aussetzen. Dies würde bedeuten, dass TikTok vorerst weiterhin von US-Nutzern verwendet werden könnte. Der künftige US-Präsident Donald Trump hat sich in einem Brief an den Supreme Court für dieses Szenario ausgesprochen.
Wenn seine Regierung am 20. Januar vereidigt wird, könnte er einen möglichen Verkauf des Algorithmus an ein US-Unternehmen in die Wege leiten. Allerdings hat China den Verkauf per Gesetz verboten. Wie realistisch dieses Szenario ist, darüber gehen die Meinungen unter amerikanischen Juristen auseinander. Manche halten es für am wahrscheinlichsten, da die Richter des Supreme Court konservativ und Trump-freundlich sind.
Der Jurist Alan Rozenshtein, Juraprofessor an der University of Minnesota, hält dieses Szenario dagegen für unwahrscheinlich. "Ich bezweifle, dass die Richter sich als Dienstmädchen von Trump verstehen. Sie haben bereits früher gegen Trumps Wünsche entschieden."
Sollte der Oberste Gerichtshof das Gesetz für verfassungswidrig erklären und TikTok Recht geben, würde sich nichts ändern: TikTok würde für die Nutzer ganz normal weiter funktionieren und in den Händen des chinesischen Konzerns ByteDance bleiben. In diesem Fall würde das Gericht seine Entscheidung noch vor dem 19. Januar bekannt geben, so Jurist Gibson.
"Sonst wäre der Schaden bereits angerichtet - es hätte keinen Sinn, die Guillotine abzubauen, wenn das Fallbeil schon gefallen ist", sagte er der NZZ. Dieses Szenario ist aber wohl das unwahrscheinlichste: Wie bereits erwähnt, halten die Juristen Szenario 1 und 2 für wahrscheinlicher.