Die Blamage beim Stapellauf eines seiner modernsten Kriegsschiffe kann Nordkoreas Diktator Kim Jong-un offenbar nicht so schnell verdauen. Das Ausdocken des Zerstörers endete in einer Katastrophe – vor Kims Augen rutschte ein Transportgestell am Heck ab und blieb stecken. Das Schiff kippte um, lag plötzlich auf der Seite und teilweise unter Wasser. Ein "unverantwortlicher Fehler", für den nun Köpfe rollen.
Der Erste, der von den Ermittlern aus Pjöngjang vorgeladen – und inzwischen festgenommen – wurde, ist der Direktor der Werften von Chongjin. Während bei früheren Missgeschicken das Regime die Disziplinarverfahren mit absoluter Diskretion abhandelte, nennt man diesmal "die Verantwortlichen" beim Namen. Werftdirektor Hong Kil-ho ist laut der Untersuchungskommission "eindeutig für den Unfall verantwortlich". Er soll in Rekordzeit verurteilt werden.
Hong hatte im März Machthaber Kim bei einem Besuch durch die Werft geführt und damals selber die Propaganda des Regimes verbreitet, die Modernisierung der nordkoreanischen Flotte voranzutreiben. Dass Hong nun als Erster in den Medien mit Namen genannt werde, deute darauf hin, dass er als Hauptsündenbock für das Versagen gilt.
Doch das war Kim nicht genug: Am Sonntag wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA drei weitere leitende Angestellte für das Unglück verantwortlich gemacht. Der Chefingenieur der Chongjin-Werft, Han Kyong-hak, der Leiter der Rumpfbauwerkstatt, Han Kyong-hak, und der stellvertretende Leiter für Verwaltungsangelegenheiten, Kim Yong-hak, werden "des Versagens" beschuldigt. Am Montag wurde auch noch dem stellvertretenden Direktor des Munitionsministeriums, Ri Hyong-son, "maßgebliche Verantwortung für den schweren Unfall" zugeschrieben.
Westliche Analysten vermuten, dass Kims außergewöhnliche Offenheit wahrscheinlich der Schadensbegrenzung diene, schreibt "Corriere della Sera". Beim Stapellauf in Chongjin müssen zahlreiche Zeugen anwesend gewesen sein, daher sei es unmöglich, die Demütigung völlig zu verschleiern.
Dass man die Werft von Chongjin für den Bau eines Kriegsschiffs gewählt habe, sei in der Tat ungewöhnlich gewesen, bestätigt das Center for Strategic and International Studies in Washington in einem Bericht. Die Werft hat bisher hauptsächlich Frachtschiffe, Fischereifahrzeuge und Baggerschiffe produziert und verfügt zweifellos nicht über die nötige Expertise für den Bau und Stapellauf großer Kriegsschiffe wie des neuen Zerstörers.
Die wahrscheinliche Ursache für das endgültige Versagen liege im Startsystem: Zum ersten Mal verwendeten nordkoreanische Techniker bei einem Kriegsschiff mit beträchtlicher Tonnage die seitliche Startmethode und nicht die Bugrutschenmethode. Dabei blieb eine mobile Rampe, die das Heck stützte, hängen, der Rumpf wurde einem sehr starken Schlag ausgesetzt und seine Stabilität wurde so stark beeinträchtigt, dass das Schiff im Wasser auf die Seite kenterte.