Thomas Schmid entkommt Prozess

Liste falscher Aussagen – aber Chat-Man wird Kronzeuge

Es ist fix: Thomas Schmid ist Kronzeuge im CASAG-Komplex. Jetzt muss er liefern, in der Vergangenheit nahm er es mit der Wahrheit aber nicht so genau.

Newsdesk Heute
Liste falscher Aussagen – aber Chat-Man wird Kronzeuge
Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid hat nun Kronzeugenstatus.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Nach jahrelangem Gezerre und tagelangen Aussagen wird Thomas Schmid tatsächlich noch Kronzeuge in der Chat-Affäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dem CASAG-Verfahrenskomplex. Wie berichtet, ritt die Polizei sogar zu Razzien ins Kanzleramt, die ÖVP-Zentrale und ins Finanzministerium ein – es gilt die Unschuldsvermutung.

Mutmaßlicher Strippenzieher soll Thomas Schmid gewesen, damals Generalsekretär im Finanzministerium und davor ÖBAG-Chef, bekannt als der Mann mit dem schnellen WhatsApp-Finger. Nach einer angeblichen Kopfwäsche durch die Mama ("Wir haben dich nicht so erzogen") packte Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus. Dafür wollte er den Kronzeugenstatus, der ihm jetzt zugestanden wurde.

Die Teile des Verfahrens rund um Thomas Schmid
Die Teile des Verfahrens rund um Thomas Schmid
APA-Grafik / picturedesk.com

Muss bei Aufdeckung helfen

Das Verfahren gegen ihn wird somit vorläufig eingestellt, er kommt vorerst mit Verfahrenskosten von 60.000 Euro und einer Teilschadensgutmachung von zusätzlich 200.000 Euro davon.

Im Gegenzug muss er aber liefern – und das nicht zu knapp. Die Kronzeugenregelung sieht vor, dass alle Kenntnisse, die für die Aufklärung von Straftaten entscheidend sein könnten, der Staatsanwaltschaft wahrheitsgetreu offengelegt werden. Das müssen konkrete Informationen und Beweise sein, die den Ermittlern bis dahin neu und unbekannt waren, nicht bloße Gerüchte und vage Andeutungen.

Kronzeugenstatus nicht gerechtfertigt?

Ein Blick in den umfangreichen Akt lässt aber starke Zweifel aufkommen, ob Schmid überhaupt als Kronzeuge eingestuft werden und eine solche Diversion hätte erhalten dürfen. Ganz freiwillig war sein Geständnis jedenfalls nicht:

Anfang September 2019 wurden über Medienberichte die ersten Vorwürfe laut. Schmid ließ daraufhin seinen Anwalt nachfragen, ob gegen ihn ermittelt werde. Das wurde damals noch verneint, dennoch löschte dieser daraufhin seinen gesamten WhatsApp-Chatverlauf, erzählte einer ehemaligen Assistentin, dass er "alles durchsucht und weggeworfen" habe. Mit einem Lach-Emoji garniert, bezeichnete er sein Vorgehen als "genial".

Als es dann am 12. November an Schmids Hauptwohnsitz zur Durchsuchung kam, wurde ihm auch das Handy abgenommen. Die Herausgabe des Entsperrcodes verweigerte er. Die inzwischen berüchtigten Chats konnten dann aber auf dem Backup von Schmids Apple Time Capsule sichergestellt werden.

Zudem hatte die WKStA wegen acht verschiedener Vorwürfe Ermittlungen eingeleitet und mehrere Zwangsmaßnahmen gegen ihn gesetzt, bevor er 2022 Kronzeugenstatus beantragte. Schmid verhielt sich somit nachweislich unkooperativ.

Ganze Liste an falschen Aussagen

Dazu kommt eine Reihe von Aussagen, die Schmid unter Beweislast wieder revidieren musste:

1) Gehaltserhöhung für Kurz' Lebensgefährtin

Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium behauptete während einer Einvernahme, dass Sebastian Kurz ihm gegenüber 2016 eine Gehaltserhöhung für seine Freundin Susanne angeregt habe und unterstellte dem späteren Kanzler damit eine strafrechtlich relevante Handlung. Das Finanzministerium widerlegte: Es gab keine Gehaltserhöhung im Jahr 2016 für die Lebensgefährtin von Kurz. Schmid musste seine Aussage revidieren.

2) "Bitte Vollgas geben" bei Kirchenprivilegien

In seiner Einvernahme bestritt Schmid zunächst, dass er Kenntnis habe von einem Zusammenhang zwischen der Kritik der Kirche an der Sicherungshaft und der angeblichen Aufforderung von Sebastian Kurz ("Ja super. Bitte Vollgas geben."), verschiedene Steuerprivilegien der Kirche zu hinterfragen. Nachdem ihm der gesamte Chatverlauf vorgelegt wurde, musste er seine Aussage revidieren und zugeben, dass ihm "der Zweck des Termins bei der Kirche bekannt" gewesen sei.

3) Wolfgang Sobotka und das Alois-Mock-Institut

Auch die Schmid-Anschuldigungen zum Alois-Mock-Institut wurden umgehend durch den Finanzamtsleiter widerlegt. Zuvor lautete der Verdacht, Sobotka könnte bei Schmid interveniert und versucht haben, das Ergebnis einer Betriebsprüfung der Privatstiftung zu manipulieren – und dass das dann auch geschehen sei. Diese Behauptungen und Vorgänge seien nicht nachweisbar, so die WKStA.

Mit dem Porsche nach Italien – neue Chats belasten Schmid

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    2015 lernte Thomas Schmid den Investor <strong>Ronny Pecik</strong> (im Bild mit seiner Frau Waltraud) kennen. Im beruflichen Kontext entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem ÖVP-Generalsekretär und dem Telekom-Aufsichtsrat.
    2015 lernte Thomas Schmid den Investor Ronny Pecik (im Bild mit seiner Frau Waltraud) kennen. Im beruflichen Kontext entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem ÖVP-Generalsekretär und dem Telekom-Aufsichtsrat.
    Gilbert Novy / KURIER / picturedesk.com

    4) Die "geheime" Autoleihe

    Schmid erklärte der WKStA zudem, dass niemand davon wusste, dass er sich Autos eines Investors ausgeliehen habe. Es gibt aber Belege, dass Schmid daraus kein Geheimnis gemacht haben dürfte. Einmal etwa fuhr Schmid mit Freunden in einem rund 350.000 Euro teuren Luxuswagen auf Urlaub, ein anderes Mal überließ er seiner Schwester eine der Karossen.

    "Vielleicht sagt er das nur, um seine Haut zu retten"

    Die Strafverfolger sind sich jedenfalls im Klaren darüber, dass sie mehr brauchen, als nur die  Aussagen eines Kronzeugen. Schon im 2015 veröffentlichten Endbericht zur Kronzeugenregelung gab ein Staatsanwalt zu Wort: "Ich würde niemals etwas anklagen, das nur auf der Aussage eines potentiellen Kronzeugen beruht. Und so etwas als Richter nie verurteilen. Weil man immer im Hinterkopf behalten muss: Vielleicht sagt er das wirklich nur, um seine Haut zu retten".

    Thomas Schmids langer Weg zum Kronzeugenstatus
    Die WKStA gab aus diesem Anlass auch noch einen Überblick über das bisherige Verfahren Schmids zum Kronzeugenstatus:
    – Im April 2022 war er im Zuge der Ermittlungen im sogenannten CASAG-Verfahrenskomplex mit dem Wunsch zu kooperieren an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft herangetreten, um im Zuge dessen den Kronzeugenstatus zu erlangen.
    – Ab Juni 2022 fand daraufhin bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Vernehmung an mehreren Tagen statt, anlässlich der Schmid umfassend befragt wurde.
    – Im Dezember 2022 stellte er einen formellen Kronzeugenantrag. In der Folge wurden die durch die Vernehmungen gewonnenen Informationen sowie das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Kronzeugenstatus geprüft.
    – Im März 2024 hat die WKStA einen entsprechenden Vorhabensbericht über das Ergebnis dieser Prüfung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien erstattet.
    – Im Juli 2024 wurde ein weiterer Vorhabensbericht mit vom Bundesministerium für Justiz aufgetragenen Ergänzungen vorgelegt.
    – Im November 2024 wurde Thomas Schmid der Kronzeugenstatus zugestanden.

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