Läufer, Student, Musiker

Marathon-Held Gruen: "Habe bisher 30.000 Euro Verlust"

Aaron Gruen ist seit wenigen Tagen der schnellste Marathon-Läufer Österreichs. "Heute" gewährt er intime Einblicke in sein intensives Leben.
Erich Elsigan
04.04.2025, 07:01

Am 30. März 2025 sorgte Aaron Gruen für eine Sensation. Der 26-Jährige lief den McKirdy-Marathon im US-Bundesstaat New York in 2:09:53 Stunden – und knackte damit den österreichischen Rekord von Peter Herzog.

Im großen "Heute"-Interview erzählt der Shootingstar, wie es dazu kam. Gruen verrät, dass er sich die Laufschuhe vorerst selbst besorgen muss, um vier Uhr aufsteht, Cello spielt und ein Studium in Harvard beginnt. Zudem lässt das Multitalent kein gutes Haar an der US-Politik – und hat einen Tipp für alle Starter des Wien-Marathons.

Herr Gruen, als erster Österreicher sind Sie einen Marathon unter 2:10 Stunden gelaufen. Haben Sie den Rekord von 2:09:53 schon realisiert?

Aaron Gruen: "Erst konnte ich es selbst nicht richtig glauben. Denn wenn man läuft, denkt man nicht daran. Es passiert einfach. Mittlerweile habe ich es aber verdaut."

Wussten Sie vor dem Rennen, dass diese Zeit in Ihnen steckt?

"Ja. Ich hatte natürlich Vertrauen in mich und meinen Trainer. Aber beim Marathon kann einfach so viel passieren. Ich wusste, ich kann auf jeden Fall bis Kilometer 30 oder 35 durchhalten. Was danach passiert, weiß man einfach nicht. Da braucht man auch Glück und Hoffnung."

Sie hatten mit Magenproblemen zu kämpfen. Welche Zeit ist an einem perfekten Tag möglich?

"Ich hätte wahrscheinlich unter 2:09 Stunden laufen können. Ich weiß nicht genau, warum ich mit dem Magen Probleme hatte. Vielleicht war es Nervosität, eventuell habe ich zu viel zum Frühstück gegessen. Ich war kurz vor dem Übergeben. Ich habe daher beim Rennen viel weniger zu mir genommen, als gewohnt. Gegen Ende musste ich das Tempo reduzieren."

Klopfen nach so einem Rennen Sponsoren an? Lässt sich der Rekord vermarkten?

"Ja. Diverse Firmen haben sich nach kleineren Sponsorenmöglichkeiten erkundigt. Aber ich habe einen Manager, der sich darum kümmert. Der recherchiert, was es da so gibt. Ich will mich ja nicht einfach so verkaufen. Ich habe keine Eile. Ob es heute passiert oder in ein paar Wochen, ist egal. Hoffentlich ergibt sich eine Möglichkeit, denn bis jetzt habe ich mit dem Sport nur Verlust gemacht."

Können Sie eine Summe nennen?

"Mit Flügen und Schuhen und so weiter sicher um die 30.000 Euro."

Sie müssen die Schuhe selbst kaufen?

"Ja genau."

Sie besitzen seit 2022 die österreichische Staatsbürgerschaft, laufen seit 2024 nicht mehr für den US-Verband. Erzählen Sie bitte kurz Ihre Geschichte: Wo sind Sie geboren, wo aufgewachsen – und wo leben Sie aktuell?

"Ich wurde in München geboren. Mein Vater ist Amerikaner. Er ist nach seinem Studium nach Deutschland gezogen, hat dort meine Mutter, die Deutsche ist, kennengelernt. Ich bin in München aufgewachsen, bin dann für mein Studium nach Amerika gezogen. Ich wohne derzeit noch in Providence in Rhode Island. Im Juni ziehe ich für mein Medizinstudium in Harvard nach Boston."

Sie haben bereits einen Abschluss in Musik und Chemie. Wie kamen Sie auf diese Kombination?

"Ich habe nach meinem Abitur überlegt, ob ich in Deutschland Medizin oder Cello studieren soll. Aber ich wollte mich nicht mit 18 Jahren für eine Lebensrichtung entscheiden. In Amerika kann man diese Studiengänge viel besser kombinieren, deshalb ging ich rüber. Zu den Fächern: Chemie deshalb, weil man in den USA nicht gleich Medizin studieren kann – man braucht davor einen Abschluss in einem anderen Fach. Chemie ist eine gute Basis. Und Musik, weil es meine Liebe ist. Nur als Beruf kann ich es mir nicht vorstellen."

"Heute" fragt nach: Gespräche mit den Sport-Stars

Stecken Sie mehr Zeit ins Musizieren oder in den Sport?

"In den letzten Monaten in den Sport, vor allem während der Marathon-Vorbereitung. Aber im ganzen Leben habe ich viel mehr Zeit in die Musik gesteckt."

Sie haben das Medizin-Studium in Harvard angesprochen. Wie sieht Ihr Traum-Beruf aus?

"Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich kann mir eine Kombination aus Wissenschafter und praktizierender Arzt vorstellen. Es gibt zwei Richtungen, die ich in Erwägung ziehe: Einerseits die Transplantationschirurgie, da gibt es sehr viel Neues. Andererseits eine Kombination aus Sport- und Musiker-Arzt, denn die leiden auch oft an diversen Problemen."

Bleibt bei all den Interessen Zeit, um seriös für einen Marathon zu trainieren?

"Ja. Ich bin jemand, der immer etwas tun muss, immer etwas auf dem Kalender braucht. Das einzige, das ich vielleicht ändern muss, ist die Zeit, wann ich aufstehe. Es wird eher um vier Uhr sein und nicht um sechs Uhr. Ich habe das aber bereits während des Studiums geschafft, es wird sich also nicht viel ändern beim Training."

Sie beginnen den Tag um vier Uhr?

"Ich stehe um vier Uhr auf, frühstücke und gehe dann um fünf oder sechs vor die Tür."

Müssen Sie auf viel verzichten, um in all den Tätigkeiten vorne dabei zu sein?

"Ich würde es nicht als Verzicht beschreiben, denn ich liebe einfach, was ich tue. Wäre es nicht meine Leidenschaft, könnte ich nicht diese Ergebnisse schaffen. Sicher kann ich nicht jeden Freitag in den Club oder in die Bar gehen, aber es wäre ohnehin nicht so meins. Ab und zu würde ich gerne ein Glas Wein trinken, aber wenn es nur ein Mal pro Woche ist, ist es auch kein Problem."

Viel Freizeit bleibt vermutlich nicht. Falls doch – was machen Sie?

"Ich lese gerne. Momentan Dostojewski. Ich interessiere mich für ältere Literatur. Ich gehe auch gerne Wandern, bin gerade in den Bergen mit meiner Freundin."

Sie sprechen perfektes Deutsch, weil Sie in München aufgewachsen sind. In welcher Sprache reden Sie daheim?

"Mit dem Vater Englisch, mit der Mutter Deutsch. Und manchmal vermische ich auch beide Sprachen in einem Satz."

Sehen Sie sich mehr als Amerikaner oder Europäer?

"In meinen jüngeren Jahren war ich von Amerika fasziniert. Das war der Ort, wo wir mit der Familie unsere Urlaube verbracht haben, ich habe ganz entspannte Erfahrungen gemacht. Aber mittlerweile würde ich mich viel mehr als Europäer bezeichnen. Auch aus politischen Gründen, wenn man das so sagen kann. Daher starte ich jetzt auch für Österreich. Mit den USA will ich gar nichts zu tun haben, also mit der Politik. Ich will dieses Land nicht repräsentieren."

Sind Sie Doppel-Staatsbürger?

"Ich habe sogar drei Pässe – Österreich, Deutschland und USA."

Dürfen Sie in allen drei Ländern wählen?

"Ja. Und ich muss in allen drei Ländern Steuern zahlen."

Aaron Gruen mit seinem US-Trainer Kurt Benninger
Julie Porter (zVg)

Am Sonntag steigt der Wien-Marathon mit knapp 40.000 Teilnehmern. Wird man Sie dort mal mitlaufen sehen?

"Ich habe mit meinem Trainer gesprochen – es hat Priorität für nächstes Jahr. Es wäre cool, als Rekordhalter dabei zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass es dort sehr laut wird."

Welchen Rat würden Sie einem Hobby-Läufer geben, um eine gute Zeit zu erreichen?

"Laufen ist insgesamt keine komplizierte Sportart. Es gibt keine großen Geheimnisse. Was viele unterschätzen, ist der Schlaf. Wer auf eine persönliche Bestzeit hofft, sollte in den Tagen vor dem Marathon immer zumindest acht Stunden schlafen."

Und Sie zum Vorbild nehmen.

"Ich hoffe, ich konnte einige motivieren, am Sonntag eine Bestzeit zu laufen. Am Ende ist es aber egal, ob man den Marathon in 2:10 oder vier Stunden läuft. Wir haben alle denselben Schmerz am Schluss. Man ist Läufer, egal wie schnell man ist. Ich bin nicht viel anders im Vergleich zu allen anderen. Vielleicht habe ich ein bisschen besseres Training und Glück, aber wir sind alle Läufer."

2028 steigen die Olympischen Spiele in Los Angeles. Mit Aaron Gruen?

"Ja, das ist ein großes Ziel, das wäre super."

Wo haben Sie den nächsten Start geplant?

"Ich hoffe sehr auf die WM in Tokio im September. Es gibt noch eine gewisse Unsicherheit, ob ich wirklich einen Startplatz bekomme. Man muss in den Top 100 sein. Mein Trainer in Österreich ist sehr zuversichtlich. Wenn es sich nicht ausgeht, dann würde sich ein Herbstmarathon in Europa ausgehen. Das werden wir Mitte Mai wissen."

Wie viele Marathons haben Sie in ihrer Karriere bestritten?

"Das war mein sechster Marathon, den ich beendet habe. Gestartet bin ich bei sieben."

Wo verfolgen Sie den Wien-Marathon?

"Am Sonntag bin ich in München. Ich habe es leider schlecht geplant. Ich dachte wirklich, der Wien-Marathon sei am 13. April – und ich bin von 10. bis 13. April in Wien. Ich hatte geplant, dass ich zuschauen kann. Aber es ist jetzt schon alles gebucht, ich werde es also leider nicht schaffen. Dann bin ich eben 2026 dabei."

{title && {title} } ee, {title && {title} } Akt. 04.04.2025, 09:19, 04.04.2025, 07:01
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