Politik

Mehrheit der Corona-Demonstranten würden FPÖ wählen

Hunderte Teilnehmer von Corona-Demonstrationen wurden im Rahmen einer Studie zu ihren Einstellungen, Motiven und politischer Präferenz befragt.

Leo Stempfl
Teilen
Erste Ausschreitungen bei der Corona-Demo
Erste Ausschreitungen bei der Corona-Demo
Hertel

Mit dem Ende der Corona-Maßnahmen fallen auch die Proteste dagegen weitestgehend weg. Lediglich einige wenige Impfverweigerer treffen sich noch regelmäßig zu Spaziergängen oder beziehen vorm ORF Stellung. Völlig anders war das im Winter, als die Intensivstationen am Limit und die Impfung nur den Ältesten vorbehalten war. Tief einschneidende Maßnahmen waren die Folge.

Zu dieser Zeit formierte sich eine Forschungswerkstatt der Universität Wien und Siegmund-Freund-Privatuniversität. Anhand von Umfragen, Interviews und Protestbeobachtungen wollte man mehr über die Personen herausfinden, die Woche für Woche, teilweise zu zigtausenden, die Straßen Wiens und anderer Städte mit "Kurz muss weg"-Rufen und ähnlichem beschallten.

Pandemie stärkte FPÖ

Schon die Grundauswertung zeigte, dass die Protestbewegung stark von Frauen (64,1 Prozent), Freiberuflern und Selbstständigen (33,1 Prozent) sowie Menschen mit hohem Bildungsabschluss geprägt ist (33,6 Prozent haben einen Studienabschluss). 

Eine grüne Überraschung gibt es bei der Parteienpräferenz: 20,5 Prozent der Befragten gaben an, bei der letzten Nationalratswahl 2019 die Grünen gewählt zu haben. 30,2 Prozent wählten FPÖ, 20,2 Prozent die ÖVP. Die Regierung dürfte durch die Maßnahmen bei den Maßnahmen-Gegnern also stark eingebüßt haben: 56,7 Prozent gaben an, bei der nächsten Wahl der FPÖ ihre Stimme zu geben.

Verschwörungstheorien

Daraufhin wurde die Zustimmung zu einigen Aussagen abgefragt, die die Einstellung der Teilnehmer widerspiegeln sollten. So finden den Maßnahmen betreffend etwa 93,2 Prozent, dass diese völlig willkürlich und unwirksam seien. 78,6 Prozent finden, das Coronavirus sei überhaupt nicht gefährlicher als eine Grippe.

Überraschend hoch ist der Anteil derer, die denken, die Regierung nutze Corona zur Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung aus (89,1 Prozent). 84,7 Prozent denken, die Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit. Auch esoterisches Denken ist weit verbreitet, 67,9 Prozent gehen davon aus, dass die natürlichen Selbstheilungskräfte ausreichend seien, um das Coronavirus zu bekämpfen.

Immer wieder kam es zu Zwischenfällen wie "Sieg Heil"-Rufen und Hitlergrüßen. Trotzdem ist rechtsautoritäres Denken eher unterrepräsentiert: Dass zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen werde, denken 35,6 Prozent zumindest teilweise. 19,4 Prozent der Befragten fühlen sich "wegen der vielen Muslime" manchmal fremd im eigenen Land. 24,5 Prozent sind immerhin teilweise der Ansicht, dass der Einfluss der Juden auf die Politik auch heute noch zu groß sei.

Kritik an Methode

Kritik an der Studie kommt auch aus den eigenen Reihen der Universität Wien, so etwa vom Medienforscher Dr. Jakob-Moritz Eberl. "Da stimmt was gewaltig nicht in den Daten der oben vorgestellten Studie", schreibt er auf Twitter. In einer eigenen Untersuchung im Rahmen des "Austrian Corona Panel Project" hätten etwa nur vier Prozent der Corona-Demonstranten den Grünen ihre Stimme gegeben.

Auch im Bericht der Forschungswerkstatt ist Selbstkritik herauszulesen: "Wir gehen davon aus, dass unsere Studie in mehrerlei Hinsicht verzerrt sein könnte." Hauptgrund ist, dass die Befragung per Telegram durchgeführt wurde. Eine persönliche Durchführung wäre nicht möglich gewesen, da die Corona-Demonstrationen zu diesem Zeitpunkt stets untersagt, illegal abgehalten und die Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden.

Zudem erreichten die Forscher einen großen Teil der Telegram-Gruppenmitglieder nicht, da diese der Studie und der Wissenschaft selbst gegenüber skeptisch eingestellt waren. Das habe sich auch in misstrauischen und feindseligen Kommentaren gezeigt. Außerdem wird auf den Faktor der sozialen Erwünschtheit hingewiesen: Teilnehmer könnten anders geantwortet haben, um in der Öffentlichkeit "ein positiveres Bild der Bewegung zu zeichnen". Aber: "Trotz dieser Limitationen gibt die Studie einen umfangreichen und wertvollen Einblick in die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Österreich."