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Mysteriöse Signale halten Physiker in Atem

Ein unerwartetes Signal bei einem Experiment auf der Suche nach dunkler Materie gibt Forschern Rätsel auf.

Roman Palman
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    Mit dem WIMP-Detektor des "XENON1T"-Experiment jagen Forscher im italienischen Gran-Sasso-Labor nach der sogenannten dunklen Materie.
    Mit dem WIMP-Detektor des "XENON1T"-Experiment jagen Forscher im italienischen Gran-Sasso-Labor nach der sogenannten dunklen Materie.
    picturedesk.com/Everett Collection

    Zum Schutz vor kosmischen Strahlungen haben die Wissenschaftler extra unzählige Tonnen Gestein zwischen ihren aufwendigen Versuchsaufbau und die Außenwelt gebracht. Das Nationallabor für Elementarteilchenphysik (LNGS) befindet sich tief unter dem Gran-Sasso-Massiv, dem "großen Stein Italiens" – und genau hier, hat ein Forscherteam auf der Suche nach Dunkler Materie ein rätselhaftes Signal entdeckt.

    Seit rund 20 Jahren arbeitet hier ein Team aus 163 Wissenschaftler daran, endlich einen Nachweis für die Existenz von Dunkler Materie zu erbringen. Trotz hochpräziser Messinstrumente konnten kein Hinweis auf die ersehnten Wimps ("weakly interacting massive patricles") festgestellt werden. Bis jetzt.

    Forscher erlebten Überraschung

    Im Rahmen des sogenannten XENON1T-Experiments haben die Forscher den unbekannten Teilchen eine Falle gestellt: Die Versuchsinstallation (siehe Diashow oben) besteht, im Grunde aus einem riesigen Tank voller flüssigem Xenon, der von empfindlichen Sensoren überwacht wird. Kollidiert nun ein Wimp mit einem der darin gefangenen, schweren Edelgas-Teilchen, wird ein messbarer Lichtblitz ausgelöst. 

    Bei der jüngsten Auswertung der Experimentdaten, die ein Jahr lang bis Februar 2018 aufgezeichnet worden waren, erlebte das internationale Team nun eine Überraschung. In einem bestimmten Energiebereich kam es zu weit mehr Kollisionen als sie zuvor errechnet hatten. Anstatt der erwarteten 232 Treffer wurden 285 aufgezeichnet.

    Die meisten solcher Signale werden laut "FAZ"-Bericht durch kosmische Strahlung oder durch Teilchen aus radioaktiven Zerfällen in der Umgebung ausgelöst. "Nur aufgrund unserer extremen Reduktion der Untergrundrate konnten wir überhaupt in dem Bereich niedrigster Energien solch einen geringen Überschuss entdecken“, erklärt Christian Weinheimer von der Universität Münster die Wichtigkeit des unterirdischen Standorts des Gran-Sasso-Labors.

    Axion, ...

    Die möglichen Erklärungen, was genau die zusätzlichen Kollisionen ausgelöst hatte, sind ebenso spektakulär wie spekulativ: So könnten Teilchen dahinterstecken, die bisher nur hypothetisch existieren. Das gemessene Energiespektrum würde demjenigen ähneln, das bei sogenannte Axionen erwartet würde. Axionen sind extremst exotische Teilchen, die ungeladen und deutlich leichter als Elektronen sein sollen. Ein Existenznachweis könnte eine Jahrzehnte alte Theorie zur starken Wechselwirkung endlich bestätigen. 

    ... oder Neutrino?

    Ebenso stehen Neutrinos als Verdächtige im Raum. Diese flüchtigen Elementarteilchen, die bei radioaktiven Zerfällen oder bei Fusionsprozessen in unserer Sonne erzeugt werden, müssten dafür aber eine bisher unbekannte Eigenschaft aufweisen. In diesem Fall müssten bisherige Theorien, wie diese elektrisch neutralen Teilchen mit dem restlichen Universum reagieren, angepasst werden.

    "Wenn Axionen oder Neutrinos das Signal hervorgerufen hätten, wäre das auf jeden Fall eine Sensation", wird Weinheimer im "FAZ"-Bericht weiter zitiert. Beide wären ein klares Anzeichen für eine neue Physik. Es gibt aber noch eine dritte mögliche und gleichzeitig viel banalere Antwort auf das Rätsel: 

    Doch nur eine Verunreinigung?

    Geringe Mengen an radioaktivem Tritium könnten im flüssigen Xenon für die zusätzlichen Kollisionen gesorgt haben. Die beim Zerfall von nur wenigen Atomen freigesetzen Elektronen könnten dafür verantwortlich sein. Nachweisen kann man eine solche Verunreinigung im Versuchsaufbau aber nicht, XENON1T ist seit zwei Jahren nicht mehr im Betrieb. 

    Vielleicht kann ein neues Experiment den endgültigen Nachweis erbringen. Die Forscher arbeiten bereits an einem Nachfolger namens XENONnT, der drei Mal so viel flüssiges Xenon enthalten wird, und 2021 mit den Messungen starten können soll.

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