Milliardenfach sind sie gestorben, egal, ob als Helden oder unschuldige Nebenfiguren; die Schlange vor dem Pixel-Himmelstor dürfte bis in alle Unendlichkeit und darüber hinaus reichen. Die Rede ist natürlich von Gamefiguren – und dem, was sie immer wieder erleiden, den Tod im Spiel, das Game over. Wobei es sich bei spielbaren Helden meist um einen temporären Übertritt ins binäre Nirwana handelt.
Während der Tod im richtigen Leben Leere, Schmerz und Trauer hinterlässt, ist er in Spielen oft nur ein Witz – ein Trick, um das Spiel am Leben zu erhalten. Das Ableben ist die Hürde, die es zu überwinden gilt, das Zeichen dafür, dass der Spieler oder die Spielerin versagt hat und besser werden muss. Der Tod im Spiel ist reine Spielmechanik, ohne die stete Wiederbelebung wäre das Game unspielbar. "Permadeath" nennt sich dieses Spielprinzip, und wenn es Entwickler gewagt haben, Gamer vor diese Aussichtslosigkeit zu stellen, handelte es sich jeweils um ein künstlerisches Statement.
Das Paradox
Der Tod im Spiel spricht auch ein anderes Paradox an: Mit riesigem Aufwand werden Spiele entworfen, die möglichst realistisch aussehen sollen. Haare flattern im Wind, die Haut wirft sich in Falten, die Abbilder der Gesichter zeigen das feinste Mienenspiel. Für die Glaubwürdigkeit der Figuren steigen die Designer in die Tiefen der Psychologie. Beim Tod aber kommt der Realitätswunsch an seine Grenzen – er lässt sich nicht digital replizieren.
Versuche, den Tod in Games anders zu behandeln, gibt es dennoch. Besonders Entwickler aus dem Indie-Bereich setzen sich bisweilen mit dem realen Ableben auseinander. So behandelt das Spiel "RiMe" beispielsweise die fünf Stadien der Trauer, bis der geliebte Mensch losgelassen werden kann. Im ausgezeichneten Spiel "That Dragon, Cancer" verarbeitete das Entwicklerpaar den realen Verlust ihres fünfjährigen Sohns. "A Mortician's Tale" versetzt Spieler in die Haut eines Bestatters, in der er Leichen waschen und sich mit trauernden Angehörigen auseinandersetzen muss.
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Nicht alles muss todernst sein
Manche Games stellen Spieler hingegen vor endgültige Tatsachen. In "Fahrenheit" begeht eine depressive Hauptfigur Selbstmord, wenn der Spieler falsche Entscheidungen trifft, und wird permanent aus dem Spiel genommen. In "Two Brothers", das zu zweit gespielt wird, stirbt an einem gewissen Punkt einer der beiden Brüder, was für den einen Spieler das Ende des Spiels bedeutet.
Andere Games benutzen den Tod mit Witz: Im Indiegame "Laichenberg" des Schweizer Kollektivs And-or.ch bleiben alle Leichen liegen, so dass sich der Spieler am Ende nicht mehr fortbewegen kann. Im Spiel "Life Goes On" lassen Spieler ihre Hauptfigur bewusst sterben, um mit der Leiche den Weg frei für die nächste Reinkarnation zu machen. Im soeben veröffentlichten Spiel "Death Coming" schlüpfen Spieler in die Haut des Sensenmanns, um tödliche Unfälle zu erzeugen.
Dass sich mit dem Gametod auch Geld verdienen lässt, haben Hersteller von Arcade-Kästen ebenfalls früh herausgefunden: Hatte die Spielfigur nämlich ihr letztes Leben verloren, konnte sie nur wiederbelebt werden, indem Spieler innerhalb einer bestimmten Zeit die nächste Münze einwarfen – "Insert coin" oder "Game over". Ironischerweise hat die Versilberung des Gametods mit dem Ende der Arcade-Geräte selbst das Zeitliche gesegnet. Zumindest vorerst.