Politik

"Kurz und Strache loben beide Viktor Orban"

Österreich rückt nach den Parlamentswahlen nach rechts. Was das für Europa bedeutet, erklärt der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch.

Heute Redaktion
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Herr Heinisch, mit dem Sieg der konservativen ÖVP und dem prozentualen Zugewinn der FPÖ rückt Österreich nach rechts. Was bedeutet das für die EU?

Die EU war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei einer der TV-Debatten in der vergangenen Woche saßen sich Sebastian Kurz von der ÖVP und Heinz-Christian Strache von der FPÖ gegenüber und haben beide darum gewetteifert, wer denn mit seinen Ansichten näher an Ungarns Staatschef Viktor Orban sei, und haben ihn beide gelobt. Das zeigt, dass die sogenannten Visegrad-Staaten Tschechien, Slowakei, Ungarn und Polen eine Vorbildwirkung haben, was die Renationalisierung bestimmter Themen und auch die Kritik an der EU angeht.

Die Kritik betrifft die Flüchtlingspolitik der EU?

Vor allem, ja. ÖVP und FPÖ haben massive Kritik an der deutschen Kanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik geübt. Hier geht Österreich nach rechts. Das war eines der beherrschenden Themen im Wahlkampf und das haben beide Parteien sehr stark bedient. In dieser Frage haben sie sich kaum unterschieden.

Worum geht es noch?

Es geht etwa auch um die Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb der EU und deren Gleichstellung mit Inländern in den Sozialsystemen. Ähnlich wie in Großbritannien haben ÖVP und FPÖ in Österreich kritisiert, dass das Sozialsystem von EU-Bürgern aus Osteuropa ausgenutzt wird. Sie fordern eine Kürzung von Ausgaben für Nicht-Österreicher aus der EU und bilden in dieser Sache eine Front mit anderen Ländern. Der Verhandlungserfolg der Briten vor dem Brexit gilt der ÖVP und der FPÖ als Vorbild für einen nationalen Sonderweg und man hofft, dass das EU-Gesetz wird.

Reinhard Heinisch ist Politologe und Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft. Er lehrt an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die österreichische Politik im europäischen Kontext und die Populismusforschung. (Bild: Universität Salzburg)

Die FPÖ ist voraussichtlich drittstärkste Kraft. Welche Koalition wird die ÖVP unter Sebastian Kurz anstreben?

Ich gehe von einer Koalition mit der FPÖ aus. Es ist nicht hundertprozentig sicher. Aber aus Sicht der mmaßgeblichen ÖVP ist eine solche Koalition vorzuziehen. Die FPÖ hätte zwar lieber mit der SPÖ koaliert, aber dazu hat sie wohl keine Möglichkeit. Für die Wähler der FPÖ war deren mögliche Regierungsbeteiligung ein wichtiges Motiv. Allerdings sind sich beide Parteien sehr ähnlich und es wird harte Verhandlungen um die Ministerposten geben. Die Konservativen könnten auch eine SPÖ unter neuer Führung, also ohne Christian Kern, akzeptieren. Dieser sitzt aber durch das doch etwas bessere Abschneiden der SPÖ fester im Sattel.

Worauf muss sich die Schweiz nach dem Regierungswechsel einstellen?

Durch die SVP gibt es in der Schweiz schon lange eine Betonung nationaler Eigenständigkeit und einer eher EU-kritischen Kurs. Die Rechte in der Schweiz könnte sich bestätigt sehen, wenn jetzt ein Nachbarland wie Österreich einen Europa-kritischeren Weg einschlägt. Für die Schweiz kann es auch ein Vorteil sein, wenn Österreich in der Flüchtlingspolitik einen noch restriktiveren Kurs fährt. Und nicht zuletzt kann es aus Schweizer Sicht auch ein Vorteil sein, wenn Österreich nun unter der Ägide der ÖVP eine Liberalisierung der Wirtschaft vorantreibt.

Worauf ist der Erfolg der ÖVP und der FPÖ zurückzuführen?

In Österreich ist ein gewisser politischer Realismus angekommen. Man lebt nicht mehr auf einer Insel der Seligen. Angst und Sorge um die Zukunft waren die Emotionen, die im Wahlkampf im Vordergrund standen – das erklärt dieses Wahlergebnis.

Inwieweit hatten die Skandale im Wahlkampf Einfluss auf das Resultat?

Ich glaube, der Einfluss ist marginal. Wähler reagieren auf solche Skandale mit Frustration. Sie beschäftigen sich aber kaum mit den Details solcher Skandale und wechseln auch weniger die Partei, sondern gehen eher gar nicht zur Wahl. Eventuell hätte die ÖVP ohne diese Skandale etwas besser abgeschnitten, sie lag ja in Umfragen auch schon einmal bei rund 34 Prozent, also etwas mehr als die jetzigen 31 bis 32 Prozent.