Ukraine

Nicht nur gegen Russland: Selenski kämpft "zwei Kriege"

Das hat gerade noch gefehlt! Die kriegsgebeutelte Ukraine um Wolodimir Selenski kämpft aktuell "zwei Kriege": Korruptionsfälle erschüttern das Land. 

Die Herausforderungen werden nicht weniger für den ukrainischen Präsidenten.
Die Herausforderungen werden nicht weniger für den ukrainischen Präsidenten.
via REUTERS

Als hätte die Ukraine mit dem bald seit einem Jahr tobenden Krieg nicht schon alle Hände voll zu tun, häuften sich in den letzten Tage Vorwürfe gegen Regierungsmitglieder und die Armee. Ähnlich wie Russland und viele andere ehemalige Sowjetrepubliken hat das Land seit jeher mit grassierender Korruption zu kämpfen – auf dem weltweiten Korruptionsindex von Transparency International belegte das Land 2021 den 122. von 180 Plätzen.

Nicht zuletzt deswegen wird immer wieder befürchtet, dass westliche Hilfsgelder im Zuge der aktuellen Krise veruntreut werden und in undurchsichtigen Kanälen versickern könnten. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unterstellt den politischen Eliten, sich mithilfe der Finanzhilfen persönlich zu bereichern

Selenski unter Druck

Nach jüngsten Korruptionsskandalen hat Staatschef Wolodimir Selenski nun an einer weiteren Front alle Hände voll zu tun, er kündigte ein entschlosseneres Vorgehen gegen Fehlverhalten an: Ein Vizeminister wurde bereits entlassen, weil er Schmiergelder für den Ankauf von Stromgeneratoren kassiert haben soll. Nun entlässt Selenski auch seinen Vizechef Kyrylo Tymoschenko.

Dieser war wiederum wegen eines Autos in die Bredouille geraten. Ihm wird vorgeworfen, mit einem US-Geländewagen privat unterwegs gewesen gewesen zu sein, den der Autokonzern General Motors für die Rettung von Bürgern aus den Kampfzonen im Kriegsgebiet und für humanitäre Missionen zur Verfügung gestellt hatte.

Verteidigungsminister beschwichtigt 

Ein weiterer Skandal betrifft das Verteidigungsministerium, wobei hier von offizieller Seite beschwichtigt wird: Lebensmittel für Soldaten sollen zu überteuerten, drei Mal zu hohen Preisen eingekauft worden sein, was den Verdacht der persönlichen Bereicherung nahelegt. Ein parlamentarischer Ausschuss befand jedoch: "Wir haben alle den Vertrag gesehen und die Ziffern, die (in der Presse) gezeigt wurden, entsprechen nicht den Tatsachen", so der Ausschussvorsitzende Olexander Sawitnewytsch.

Verteidigungsminister Olexij Resnikow wittert einen Diffamierungsversuch: "Offensichtlichstes Ziel scheint der Versuch zu sein, das Vertrauen in das Verteidigungsministerium zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt zu untergraben", so der Minister auf Facebook. Bei den überhöhten Preisen für Eier handle es sich beispielsweise um einen technischen Fehler: Statt Stückpreisen habe der Lieferant die Preise für 100 Gramm angegeben.

Selenski kündigt Maßnahmen an

Doch das Thema ist damit nicht beendet. Selenski kündigte am Sonntag an, noch in dieser Woche Entscheidungen zu veröffentlichen, wie es mit der Korruptionsbekämpfung weitergehen soll. "Ich bin den Journalisten dankbar, die sich mit den Fakten beschäftigen und das ganze Bild erstellen", äußerte er sich zu den Enthüllungen.

Auch wenn viele politische Themen wegen des omnipräsenten Kriegs stillstehen, habe die Regierung laut der ukrainischen Staatsanwaltschaft ihre Antikorruptionsbemühungen nicht auf Eis gelegt. Gegenüber Reuters wurde von mindestens 109 Anklagen in 42 Fällen und 25 Verurteilungen berichtet. 

"Zwei Kriege"

Die Ukraine führt laut einem hochrangigen Mitglied des zuständigen Ausschusses im Parlament, Jaroslaw Jurtschyschyn, gleichzeitig zwei Kriege: Neben den allseits bekannten gegen das russische Militär geselle sich demnach jener gegen die Korruption, die das Land seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Griff habe. 

Mittel- und Langfristig gesehen sei eine Bekämpfung laut Behörden auch deshalb so zentral, weil potenzielle westliche Geldgeber für einen möglichen Wiederaufbau keine Bedenken haben dürften. Auch das Ziel einer Mitgliedschaft bei der Europäischen Union könne nur erreicht werden, wenn Korruption in den Hintergrund rückt.

1/6
Gehe zur Galerie
    Russland startete eine weitere Raketen-Offensive in der Ukraine. Neben kritischer Infrastruktur wurden diesmal auch Zivilisten ins Visier genommen: Ein Hochhaus in der Großstadt Dnipro fiel einer herabstürzenden Rakete der russischen Armee zum Opfer.
    Russland startete eine weitere Raketen-Offensive in der Ukraine. Neben kritischer Infrastruktur wurden diesmal auch Zivilisten ins Visier genommen: Ein Hochhaus in der Großstadt Dnipro fiel einer herabstürzenden Rakete der russischen Armee zum Opfer.
    HANDOUT / AFP / picturedesk.com