Politik

"Es gibt in jeder Partei Schwule, die sich nicht outen"

Überraschendes, wichtiges Signal der ÖVP: Abgeordneter Nico Marchetti (31) sagt Samstagabend im ORF:  "Es ist vollkommen normal, dass man schwul ist."

Heute Redaktion
Teilen
Nationalratsabgeordneter Nico Marchetti war am Samstag zu Gast bei Patrick Budgen.
Nationalratsabgeordneter Nico Marchetti war am Samstag zu Gast bei Patrick Budgen.
privat

Der Pride Month wurde am Wochenende in Wien mit der Fensterl-Parade eingeläutet. Unter dem Motto "Sichtbar sein" werden Fenster, Balkone, Büros und Kirchen in der Stadt zwischen 7. und 20.6. mit der Regenbogenfahne geschmückt, um ein Zeichen der Toleranz für die LGBTIQ-Community und ihre Anliegen zu setzen. Bereits am Freitag hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen vom regenbogenfarbenen Hofburg-Balkon gewunken und die Botschaft "Love is love" ins Land getragen.

Überraschendes Signal der ÖVP

Ein bemerkenswertes Zeichen kommt auch von einer Fraktion, die sonst bei dem Thema gerne unsichtbar ist. Die Kanzler-Partei ÖVP entsandte völlig überraschend einen hochkarätigen Vertreter in die ORF-Erfolgsreihe "Bei Budgen". Nico Marchetti, seit 2017 Abgeordneter zum Nationalrat und Chef der Jungen Volkspartei in Wien, erzählte im ORF offen, wie er sich als schwuler junger Mann in der konservativen ÖVP politisch zuhause fühlen kann.

"Mit den Werten immer schon wohlgefühlt"

Dass seine Partei ein Problem mit Homosexualität habe, stellte Marchetti entschieden in Abrede. Die ÖVP habe "gar nichts" gegen Schwule. Für den 31-Jährigen sei die sexuelle Orientierung "nicht der bestimmende Teil eines Menschen". Ein schwuler Mann könne Unternehmer, Angestellter, Landwirt oder eben Politiker sein. "Ich sehe das komplexer und weniger eindimensional", so Marchetti. Bei der Wirtschafts-, Standort- und Integrationspolitik habe er sich "mich mit den Werten der ÖVP immer schon wohlgefühlt". Nachsatz: "Auch als schwuler Mann."

Marchetti will Dinge verändern

Nico Marchetti, der für die Türkisen im Gleichbehandlungsausschuss sitzt, hat für sich den "Anspruch etwas zu ändern". In der ÖVP versuche er stets, "zu verbinden", manchmal brauche es aber auch "eine Schocktherapie, weil es vielfach Dinge sind, die man noch nie diskutiert hat". Er laufe aber nicht gegen Wände: "Oft gelingt das mit einem positiven Output", freut er sich. Dass seine Partei alles blockiere, was die Rechte der LGBTIQ-Community betrifft, stimme nicht: "Beim Verbot der Konversionstherapien gibt es etwa einen einstimmigen Beschluss im Nationalrat."

Gibt es Schwule in der ÖVP?

Moderator Budgen wollte von Marchetti, der der einzig offen homosexuell lebende Abgeordnete der ÖVP ist, wissen, ob es in seiner Partei Schwule gebe, die sich nicht trauten, sich zu outen. "Die gibt es überall", erzählt der Chef der JVP Wien. "Ich kenne Leute, die sich nicht outen möchten." Das müsse man auch verstehen können: Politiker sei ein prononcierter Beruf: "Die sexuelle Orientierung preiszugeben ist nicht einfach."

Nico Marchetti: "Es ist gut, zu sich zu stehen und das Leben leben zu können, das man leben möchte."

Aus seiner eigenen Lebensgeschichte heraus rät er allen, "es zu wagen" und sich zu outen, auch, "wenn es eine Barriere ist und schwer fällt": "Es ist gut, zu sich zu stehen und das Leben leben zu können, das man leben möchte", sagt Marchetti. Andernfalls lebe man "eine zeitlang in einer Parallel-Scheinwelt, in der man Dinge und Emotionen erlebt, die man nicht mit Freunden oder der Familie teilen kann". Als er im Teenageralter das erste Mal einen Freund hatte, wollte er ihn mit nach Hause nehmen. "Ich habe dann meiner Mutti gestanden, dass er nicht nur ein Freund ist, sondern mein Freund", so der 31-Jährige, der auf ein verständnisvolles Umfeld stieß: "Meine Eltern haben das extrem gut aufgenommen."

Marchetti im JVP-Shirt auf Parade

Für den Chef der ÖVP Favoriten ist es "vollkommen normal, dass man schwul ist". Er befindet: "Es ist in unserer Gesellschaft kein Problem." Auch, wenn Vertreter seiner Partei dort mitunter kritisch beäugt werden, wird er der Regenbogenparade beiwohnen. Zwar nicht kostümiert: "Ich verkleide mich wirklich nicht gerne und gehe mit einem ganz normalen JVP-T-Shirt hin", so Marchetti. Damit würde er auch auffallen, konstatierte Moderator Patrick Budgen – und hat wohl recht ...