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Nordkoreas Soldatinnen bekommen keine Periode

Hunger, mangelnde Hygiene und sexueller Missbrauch: Eine geflohene nordkoreanische Soldatin berichtet aus ihrem harten Alltag.

Heute Redaktion
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Über zehn Jahre lang diente Lee So Yeon in der nordkoreanischen Armee. Das Leben der Soldatinnen dort sei so hart, dass die meisten Frauen nach wenigen Monaten ihre Periode nicht mehr bekämen – wegen Unterernährung und Stress. Auch Vergewaltigungen durch Vorgesetzte seien keine Seltenheit, berichtet die heute 41-Jährige, die über China nach Südkorea floh, dem Sender BBC.

Lees Vater ist Professor und viele ihrer männlichen Verwandten waren Soldaten. Sie trat freiwillig in die Armee ein. Seit zwei Jahren ist der Militärdienst für Frauen allerdings obligatorisch. Sie müssen mindestens sieben Jahre in der Armee dienen, von Männern werden mindestens zehn Jahre erwartet – in keinem anderen Land der Welt dauert die Wehrpflicht so lange wie in Kim Jong-uns Diktatur.

Schlimmer Gestank in den Baracken

Lees Dienst in der viertgrößten Armee der Welt war geprägt von Leid und Entbehrungen. Sie schlief auf einem unteren Etagenbett, in einem Raum zusammen mit zwei Dutzend Frauen. Der Gestank in den Baracken, so erinnerhalb sie sich, war bestialisch. "Die Matratzen, auf denen wir schliefen, bestanden aus Reishülsen. Wir schwitzten, und all unser Körpergeruch sickerte in die Matratze, die ja nicht aus Baumwolle war. Es war nicht angenehm."

Der Gestank resultierte auch aus der mangelhaften Körperhygiene. "Für uns Frauen war eines der härtesten Dinge, dass wir nicht richtig duschen konnten", berichtet Lee. Es gab nur kaltes Wasser aus einem Bergbach. Aus dem Wasserschlauch kamen manchmal auch Frösche und Schlangen.

Obwohl Lee die Armee vor über zehn Jahren verließ, hat sie lebhafte Erinnerungen an ihre Militärzeit. Als in den 1990er-Jahren eine Hungersnot herrschte, meldete sie sich freiwillig, weil den Soldatinnen eine Mahlzeit täglich garantiert wurde. Tausende andere Frauen taten es ihr gleich.

Hunger und miserable Hygiene

Zu Beginn gefiel es der jungen Rekrutin. Die 17-jährige Lee war beeindruckt vom fest installierten Haartrockner in ihrer Unterkunft, auch wenn dieser wegen Stromausfall fast nie benutzbar war. Ihr Training war nicht ganz so hart und lang wie das der Männer. Dafür mussten die Frauen putzen und kochen.

Dennoch waren Lees Lebensumstände so widrig, dass ihr Körper irgendwann streikte. Die Militärübungen, die Stress-Situationen und die spärlichen Essensrationen sorgten dafür, dass nach einigen Monaten ihre Menstruation ausblieb. Das war ihr und vielen Mitstreiterinnen aber nicht unrecht. Es gab nämlich nicht genügend Binden. Die Soldatinnen mussten ihre Baumwoll- Einlagen jede Nacht, wenn sie außer Sichtweite von Männern waren, auswaschen, damit sie sie am nächsten Tag erneut verwenden konnten.

Seit der Militärdienst für Frauen Pflicht ist, hat sich die Versorgung mit Hygieneprodukten verbessert, berichtet Juliette Morillot, Autorin des Buches "La Corée du Nord en 100 questions". Soldatinnen in ländlichen Regionen hätten aber immer noch oft nicht einmal Zugang zu einem abgeschlossenen WC. Sie müssten sich oft vor den Augen von Männern erleichtern, was sie noch angreifbarer mache. Sexuelle Belästigung sei weit verbreitet, schildert Morillot der BBC.

Kompanieführer vergewaltigt Frauen

Ex-Soldatin Lee gibt zu Protokoll, sie selbst sei nicht vergewaltigt worden, kenne aber viele Frauen, denen das passiert sei. "Der Kompaniechef blieb nach Dienstschluss in seinem Zimmer und vergewaltigte dort die ihm unterstellten Soldatinnen. Das passierte wieder und wieder und nahm kein Ende", erinnert sie sich.

Wie zuverlässig ihre Aussage ist, lässt sich nicht sicher sagen. Autorin Morillot hat mit vielen Frauen gesprochen, die alle behaupteten, selbst nicht missbraucht worden zu sein, aber andere vergewaltigte Soldatinnen zu kennen. Morillot zufolge resultiert dieses Schweigen aus den ausgeprägten patriarchalen Strukturen in der nordkoreanischen Gesellschaft.

Lee verließ die Armee mit 28 Jahren. In ihrem Leben als Zivilistin kam sie aber nicht klar und bekam finanzielle Probleme. 2008 beschloss sie, aus Nordkorea zu flüchten. Das gelang ihr erst beim zweiten Versuch, als sie durch den Fluss Tumen nach China schwamm. Beim ersten Versuch wurde sie an der Grenze aufgegriffen und für ein Jahr in ein Haftlager gesteckt.



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