Wirtschaft

Notstand – AMS hat viel zu wenig Mitarbeiter

Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter äußerte sich am Dienstag im Ö1-Morgenjournal zur Langzeitarbeitslosigkeit und zum Personalnotstand beim AMS.

Andre Wilding
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Ein Betreuer muss derzeit bis zu 280 AMS-Kunden betreuen.
Ein Betreuer muss derzeit bis zu 280 AMS-Kunden betreuen.
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich zuletzt deutlich entspannt – erstmals ist sie nämlich wieder unter das Vor-Corona-Krisenniveau gesunken. Und das ist auch gut für das Budget, denn die Bundesregierung hat hier für das Jahr 2022 insgesamt 9,1 Milliarden Euro veranschlagt.

Zudem gibt es aber auch einen Rekord an offenen Stellen, allerdings hinterlässt die Corona-Krise weiterhin ihre Spur – nämlich die Langzeitarbeitslosigkeit. Und die spiegelt sich auch im Budget wider. Die Regierung stellt jedenfalls um, wie das Ö1-Morgenjournal berichtet – und zwar von der Bekämpfung der akuten Folgen der Corona-Krise hin zu den Langzeitfolgen.

Die Langzeitarbeitslosigkeit bleibt jedenfalls weiterhin Sorgenkind. Im Budget sind hier über 500 Millionen Euro für Programme gegen Langzeitarbeitslosigkeit vorgesehen. Aber ist das auch ausreichend? "Das ist jetzt einmal gut so, dass die Bundesregierung dieses doch sehr große Problem am Arbeitsmarkt mit immerhin einer halben Milliarde Euro adressiert", so Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter.

"Langzeitarbeitslosigkeit löst sich nicht in Nichts auf"

Aber: "Das Problem ist, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit nicht in einem halben Jahr in Nichts auflöst. Sondern das ist ein Problem, das über Jahre bestehen bleibt." Man sehe dies etwa bei jedem Konjunkturabschwung, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosigkeit steige und dann auch hoch bleibt.

"Von daher ist unsere Kritik am Budget im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit die Kurzfristigkeit." Im Jahr 2023 würden nämlich nur noch 320 Millionen Euro zu Verfügung stehen. "Das sehen wir als Problem", stellt Mitter am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal klar.

Zurzeit konzentriere sich der Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit auf Eingliederungsbeihilfen und sogenannte Transit-Beschäftigungen – also eine Beschäftigung über ein paar Monate, "in der Hoffnung woanders einen Job zu bekommen". Laut Mitter bräuchte es eine "dritte Säule, die mit Jobgarantie angesprochen wurde."

Ein Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit sei die "Aktion Sprungbrett", für die es 250 Millionen Euro im nächsten Jahr gibt. Aber gibt es dadurch auch die Gefahr einer Verdrängung? "Der österreichische Arbeitsmarkt ist dynamisch. Es gibt im Jahr 1,7 Millionen Auflösungen und Neubegründungen von Arbeitsverhältnissen. Von daher gibt es immer das Thema der Verdrängung", erklärt Mitter weiter.

Angemessenes Budget für 2022, aber...

Und: "Was hier ein Problem ist, ist, dass wir nicht wissen, ob die Eingliederungsbeihilfen – die Lohnsubvention – dann noch wirkt, wenn sie ausgelaufen ist." Also ob die Menschen noch nachhaltige Beschäftigungen haben oder nicht wieder arbeitslos werden.

Doch sollten die Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit wirken und die Zahl sinken, wird man dann dafür in den nächsten Jahr noch so viel Geld brauchen? Dazu stellt Gernot Mitter klar: "Wir gehen nicht davon aus, dass mit der 'Aktion Sprungbrett' das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit gelöst werden kann. Es soll die Langzeitarbeitslosigkeit halbiert werden, das ist das Ziel." Man wisse aber nicht, ob das Ziel auch erreicht wird.

"Wir kritisieren daher, dass im Jahr 2022 ein angemessenes Budget vorhanden ist, dass im Jahr 2023 die Förderungen aber wieder stark zurückgenommen werden müssen, wenn sich die Politik nicht noch einmal aufschwingt, um diese Programm noch einmal zu verlängern", so der Arbeitsmarktexperte im Ö1-Morgenjournal.

Notstand bei AMS-Personal

Auf die Frage, ob bei den Ausbildungsprogrammen in die richtigen Jobs investiert werde, antwortete Mitter: "Hier kommen wir zu einem sehr differenzierten Problem. Mit der Corona-Joboffensive hat die Bundesregierung im vorigen Jahr ein Ausbildungsprogramm angestoßen. Die Zielsetzung war, 100.000 Personen in Ausbildung zu bringen und davon 36.000 in Zukunftsberufe, wie in die Pflege oder Berufe im Digitalbereich."

Die Zielsetzung bei den sonstigen Ausbildung sei übererfüllt worden, bei den zukunftsorientierten Berufen sei hingegen noch Luft nach oben. Hier habe man die Teilnehmerzahl nämlich nicht erreicht. "Diese Ausbildungsoffensive ist nur kurzfristig angetragen, es wird heuer de facto keine neuen Eintritte mehr geben", erklärt Mitter. Das Geld, das für nächstes Jahr zur Verfügung stehe, diene nämlich nur noch der Ausfinanzierung.

Zum Schluss äußerte sich der Arbeitsmarktexperte dann noch zum Personalnotstand beim AMS. Immer wieder höre man nämlich – etwa auch von der Arbeiterkammer –dass das Arbeitsmarktservice mehr Mitarbeiter bräuchte. Aber warum eigentlich? "Aus mehreren Gründen", erklärt Mitter.

"Ein AMS-Mitarbeiter betreut 280 Arbeitssuchende"

Ein Grund sei, "die richtige Weiterbildung für den richtigen Menschen zu finden". Und dies brauche nicht nur Zeit, sondern auch Kommunikation. Und zwar zwischen einem AMS-Mitarbeiter und dem Arbeitssuchenden. "Aber die ist derzeit nicht gegeben", stellt der Arbeitsmarktexperte klar.

Und: "Es gibt Modellversuche, die sind wissenschaftlich evaluiert, dass dann, wenn die Arbeitsvermittlung etwas schwierig wird, ein Verhältnis, ein AMS-Mitarbeiter muss 100 Arbeitssuchende betreuen, dass dann die Vermittlung viel besser funktioniert, als beim derzeitigen Zustand."

Derzeit würde das Verhältnis aber "ein AMS-Mitarbeiter zu 280 Arbeitssuchenden" aussehen. Die Zielsetzung wäre also 1 zu 100, "um Einsparungen erzielen zu können, die Arbeitslosigkeit kurz zu halten, die Schulungen besser an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Und zu einer besseren Performance des AMS beizutragen."

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