Bei Österreichs Rodel-Familie sitzt der Schock tief. Madeleine Egle, die in ihrer Karriere bereits WM-Gold und Olympia-Silber erobern konnte, ist wegen drei verpasster Dopingtests für 20 Monate gesperrt worden. Der Traum von den Olympischen Winterspielen im Februar 2026 in Cortina (It) ist damit geplatzt.
Für Egle und den heimischen Verband eine bittere Pille, denn die rot-weiß-roten Kunstbahn-Asse müssen damit im Damen-Einzel und dem Teambewerb ohne ihre vermeintlich stärkste Athletin antreten.
ÖRV-Präsident Markus Prock ist fassungslos. "Wir wissen, dass Madeleine Egle eine saubere Athletin ist. Sie hat Fehler gemacht, aber keine, die das Urteil auch nur ansatzweise rechtfertigen. Strafe muss sein, keine Frage, aber in diesen Dimensionen, das ist ein Wahnsinn", poltert der 61-Jährige.
Und auch Cheftrainer Christian Eigentler findet klare Worte. "Madeleine wird nicht für ein Dopingvergehen, sondern für Verwaltungsfehler brutal hart bestraft. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, das kann und darf nicht sein. Ich bin vor allem vom Verhalten der FIL (Internationaler Rodelverband, Anm.) extrem enttäuscht. Sie sagen zwar immer, dass wir eine große Rodel-Familie sind, aber davon sind wir weit entfernt. Die Entscheidungsträger in den einzelnen Organen haben ihre nationale Brille auf und sind juristisch alles andere als Experten. Trotzdem haben sie es besser gewusst als die beratenden Anwälte und sind ihrer Verantwortung, eine ihrer Athletinnen vor einer ungerechten Strafe zu schützen, aus meiner Sicht einfach nicht nachgekommen. Es ist einfach ungerecht und sehr frustrierend."
Egle selbst nimmt ebenfalls ausführlich Stellung. "Ich hätte nie mit einer derart harten Bestrafung gerechnet, meine Karriere liegt gefühlt in Trümmern, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Es war schon während des Verfahrens eine psychisch ungemein schwere Zeit, vor allem die Hearings waren sehr belastend, ich habe mich phasenweise gefühlt wie eine Schwerverbrecherin. Umso wichtiger ist mir in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass ich nie gedopt habe und alle Kontrollen in meiner Karriere negativ waren. Ja, ich habe Fehler gemacht, da meine im ADAMS hinterlegten Aufenthaltsinformationen im Detail nicht korrekt angegeben waren und als 'Missed Tests' bewertet wurden. Das Kontrollsystem, so wichtig es auch ist, hat allerdings seine Tücken, auch was die App betrifft, bei der es immer wieder Schwierigkeiten mit dem Zugriff gab."
Zur Erklärung: Die Tirolerin hatte im für alle Topsportler verpflichtenden Meldesystem ADAMS keine korrekten Angaben stehen, so wurde sie im Jahr 2023 bei drei Kontrollen nicht angetroffen. Ein "Missed Test" ist ein Versäumnis eines Sportlers, an dem Ort und zu der Zeit innerhalb des 60-minütigen Zeitfensters, das er für diesen Tag angegeben hat, für eine Dopingkontrolle zur Verfügung zu stehen.
Egle dazu im Detail: "Ich bin eine im Top-Segment kategorisierte Athletin, die damit strengeren Regeln unterliegt und strikter kontrolliert wird. Ich habe die Verpflichtung, jeden Tag eine Stunde (Slot Time) erreichbar zu sein und mich an einem bestimmten Ort zu befinden, sowie drei bis fünf regelmäßige Tätigkeiten anzuführen, bei denen man mich auffinden kann - beispielsweise beim Training, an der Universität oder bei der Physiotherapie. Zusätzlich dazu muss man jeden Tag den Ort angeben, wo man übernachtet. Hierbei soll man das Programm bereits 3,5 Monate im Voraus ausfüllen, kann es dann aber bei etwaigen Änderungen wieder anpassen. Keine Frage, ich muss mir den Vorwurf machen, hier nachlässig und zu sorglos gehandelt zu haben."
Das erste Urteil sah eine Sperre von 3,5 Jahren vor - sie wurde schließlich auf 20 Monate reduziert. Doch selbst dieser Zeitraum ist für Egle nicht nachvollziehbar. "Ich empfinde eine 20-monatige Sperre verglichen mit dem, was des Dopings überführte Sportler zuletzt an Strafen ausgefasst haben, als unverhältnismäßig und hochgradig unfair."
Ein Beispiel: Tennis-Superstar Jannik Sinner verstieß gegen die Anti-Doping-Regularien, in zwei Proben wurde das Steroid Clostebol gefunden. Der Italiener gab an, die Kontaminierung sei durch seinen Physiotherapeuten geschehen. Man einigte sich auf eine Mini-Sperre von drei Monaten.
"Es macht den Anschein, dass hier in der Entscheidungsfindung und Beurteilung eine Linie fehlt. Es war naiv zu glauben, dass sich die internationale Rodel-Familie für die Sache und Fairness einsetzt und nicht ausschließlich ihre Eigeninteressen wahrt", sagt Egle. "Meine Sperre ist für die Konkurrenz in Hinblick der Olympischen Spiele 2026 sicherlich eine gute Nachricht, so funktioniert das Business eben. Das ist unglaublich bitter, aber leider die nüchterne Realität. Mir ist auch bewusst, dass mein Statement und meine Meinung nichts an den Sanktionen ändern, aber ich möchte nicht schubladisiert und als gedopte Sportlerin wahrgenommen werden. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen."
Wie es mit Egle weitergeht, ist offen. "Aktuell fühle ich eine große Leere, muss Abstand gewinnen und das alles erst sacken lassen. Vielleicht ist es das Ende meiner Karriere, ich kann einen Rücktritt vom Profisport jedenfalls nicht ausschließen."