Sie galt als eines der wichtigsten Aushängeschilder des ORF. 27 Jahre lang arbeitete Claudia Reiterer für den öffentlich-rechtlichen Sender, zuletzt moderierte die Wienerin acht Jahre lang den Polit-Talk "Im Zentrum". Völlig überraschend musste sie heuer jedoch ihren Stuhl räumen. "Es hat geheißen, ich muss vom Bildschirm und von der politischen Berichterstattung weg", packt die 57-Jährige nun in der "Presse" aus.
"Ich habe – auch schriftlich – die Frage nach dem Grund gestellt: Ist es das Aussehen? Das Alter? Die Leistung? Oder gibt es politische Wünsche?", schildert sie die Suche nach der Wahrheit. Einen Grund für das plötzliche Aus hat man ihr jedoch nie genannt.
Die Entscheidung, den ORF ganz zu verlassen, hat Reiterer danach selbst getroffen. Man habe ihr zwar einen anderen Job beim Sender angeboten, doch das hat sich nach ihrer bisherigen TV-Karriere nicht richtig angefühlt. Am 24. April verließ sie den Küniglberg mit gemischten Gefühlen und brach bald danach auf eine Reise nach Sri Lanka auf, um sich bei einer Ayurveda-Kur neue Kraft zu holen. Befreit und inspiriert, schrieb die ehemalige ORF-Frontfrau dort ein Sachbuch, das sie womöglich bald veröffentlichen will.
Obwohl sie viele Kollegen und die Struktur im ORF vermisst, zeigt sich Reiterer sehr erleichtert, einem Klima von Diskriminierung und Bodyshaming entkommen zu sein. Als sie 2004 ihren Sohn bekam, erlebte die junge Mutter damals besonders Heftiges: Nach ihrer Karenz führte sie einmal durch eine "Pressestunde". Danach folgte ein fieses Feedback: "Mir wurde ausgerichtet, dass ich zu viel zugenommen hätte, dass ich für die Zuschauer nicht ansehnlich genug sei. Und ich wurde abgesetzt", erhebt sie schwere Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber.
Der TV-Profi ließ sich das jedoch nicht gefallen und meldete den Vorfall bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft. "Ich habe mich gewehrt". Sie moderierte danach zwar das "Hohe Haus", doch sie wurde von ihrer Anwältin gewarnt, dass ein späterer Jobverlust mit fadenscheiniger Ausrede die Folge sein könnte. "In meiner Position so eine Ungerechtigkeit durchgehen zu lassen, das ging nicht. Das war meine Verantwortung", bereut Reiterer ihren Schritt nicht.
Die gelernte Krankenschwester, die danach zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter des Landes wurde, kann sich nochmal neue Karrierewege vorstellen. Sogar einen Job in der Politik – "ein unfassbar schweres Geschäft" – schließt die 57-Jährige nicht aus.