Niederösterreich

Lenker kann in NÖ nicht vor Polizei pinkeln: Schein weg

Ein Pannenfahrer konnte bei einer Kontrolle nicht in einen Becher urinieren – der Schein war zwei Wochen weg. Seine Tante ortet Behördenwillkür.
22.08.2023, 14:13
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Das Frequency-Festival 2023 ist vorbei, aber die Aufregung war danach bei einigen Usern in der Gruppe "Was ist los in St. Pölten" groß. Denn mehrere Festival-Besucher berichteten von angeblichen Urintests hinter einem Gebüsch oder neben dem Auto. Konnte der Lenker oder die Lenkerin nicht pinkeln, hieß es: ab zum Amtsarzt samt Blutuntersuchung. Bis zum Ergebnis wurde dann der Führerschein vorläufig entzogen.

Ein junger Pannenfahrer hatte zudem laut seiner Tante ein unliebsames Erlebnis mit Beamten in Tulln: Er wurde, unabhängig vom Frequency, am Weg zu einem Firmenworkshop um 6 Uhr morgen angehalten, nach Drogenkonsum gefragt. Da der junge Mann nicht vor Ort pinkeln und sich freibeweisen konnte, musste er zur Blutabnahme zum Amtsarzt. Rund zwei Wochen lang war der Führerschein weg, erst als das negative Ergebnis eingetroffen war, durfte er wieder ein Fahrzeug lenken.

"Was ist, wenn deshalb einer den Job verliert?"

Seine Tante bringt es in einem Posting (siehe auch Bilderserie) auf den Punkt: "Was wäre, wenn jemand durch diese Beamtenwillkür seinen Job verliert? Ich finde das eine Frechheit, dass man da wie ein Verbrecher behandelt wird und zwei Wochen auf das Ergebnis warten muss."

Tatsächlich wurden bei den Schwerpunktkontrollen im Rahmen des Frequencys 216 mutmaßlichen Drogenlenkern der Führerschein abgenommen - mehr dazu hier.

Schicklicher, freiwilliger Urintest

Auf Nachfrage erklärte die Landespolizeidirektion Niederösterreich die Vorgänge rund um Drogentests im Verkehr: "Die Straßenverkehrsordnung 1960 bestimmt, dass im Falle einer Vermutung/Verdacht auf Suchtgiftbeeinträchtigung eine Vorführung des Probanden zum Arzt zu erfolgen hat. Die Kontrollen werden dabei durch besonders geschulte Organe der öffentlichen Sicherheit durchgeführt." Jedoch könne der Lenker freiwillig einen Urintest machen und somit seine Drogenfreiheit beweisen. Die Urinabgabe erfolge aber nicht in der Öffentlichkeit, sondern es müsse die Schicklichkeit bewahrt werden - das heißt öffentliches WC, Gebüsch.

10 bis 14 Tage ohne Schein

"Bei Verdachtsmomenten einer Suchtmittelbeeinträchtigung und Lenken eines Kraftfahrzeuges ist eine obligatorische klinische Untersuchung samt Blutabnahme durch einen Arzt vorgesehen. Das Blut wird danach in einem Labor ausgewertet, die Untersuchungsdauer beträgt rund 10 bis 14 Tage. In dieser Zeit gilt der Führerschein als vorläufig entzogen. Nach Einlangen des Gutachtens bei der Behörde erfolgt durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde die Mitteilung des Ergebnisses an den Angezeigten, mittels Strafverfügung oder Einstellung des Verfahrens nach § 5 Straßenverkehrsordnung 1960, sollte keine Beeinträchtigung erwiesen werden", heißt es vonseiten der Landespolizeidirektion Niederösterreich.

Zu erwähnen wäre. Die Bestimmungen sind mittlerweile 63 Jahre alt, es gilt die Straßenverkehrsordnung 1960!

Vorsicht und Bedacht ist übrigens bei einigen Medikamenten geboten, auch wenn diese vom Arzt verordnet worden sind: Bei Schmerzmitteln, Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmitteln sowie Tabletten gegen Bluthochdruck oder Anthistaminika sowie Augentropfen kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt werden. Und: Die Pandemie und die Krise wirkten sich negativ auf die psychische Gesundheit vieler Österreicher aus. Die Antworten in unserer schnelllebigen Gesellschaft sind oftmals nicht aufwendige Therapien, sondern billige Psychopharmaka

Gefahren von Medikamenten

Um sich über mögliche Beeinträchtigungen zu informieren, reicht oft ein genauer Blick auf die Medikamentenpackung oder den Beipackzettel. Bei Dauermedikationen soll der behandelte Arzt den Lenker belehren und beratschlagen. Wichtig ist bei der Einnahme von Medikamenten die Eigenverantwortung. Rund 80 Prozent der Menschen, die sich unter Einfluss von Arzneimitteln hinters Steuer setzen, sind sich der Gefahr laut "DA" (Quelle: Das Apothekenmagazin DA - Deine Apotheke"; 247.000 Leser laut CAWI-Print 2021) gar nicht bewusst. Eine pauschale Beurteilung eines Arzneistoffes in dem Sinn, dass bei einer bestimmten Dosis die Fahrsicherheit beeinträchtigt ist, ist in der Regel gar nicht möglich. Warum? Weil individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, Körperbau und Gewicht, Grunderkrankungen, die Einnahme weiterer Arzneimittel einen wesentlichen Einfluss auf die Wirkung und auch die Nebenwirkung eines Medikaments haben.

Generell gilt: Die kritischste Phase ist meist am Beginn der Arzneimitteleinnahme. Da ist die Dosis oft noch nicht optimal eingestellt und wirkt noch nicht so gut. Übrigens: Auch die Spritze beim Zahnarzt wirkt sich auf die Fahrtauglichkeit aus. Der richtige Zeitabstand zwischen der Arzneimitteleinnahme und der Teilnahme am Straßenverkehr ist enorm wichtig. Für Narkosemittel gilt mindestens 24, besser noch 48 Stunden Fahrverbot. Zwischen einer Schlafmitteleinnahme und der morgendlichen Autofahrt sollten mindestens acht bis zehn Stunden liegen. Wenn diese bestimmungsgemäß am Abend vor dem Schlafengehen eingenommen werden, ist eine Fahrt zum Arbeitsplatz am nächsten Morgen meist kein Problem.

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