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Polizeigewalt: Prügel-Opfer spricht erstmals im ORF

Polizei und Bürger beklagen, dass die Gegenseite immer gewalttätiger wird. Der Konflikt wird nun im ORF untersucht, auch ein "Heute"-Fall kommt vor.

Leo Stempfl
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Das Verhältnis zwischen den österreichischen Bürgern und ihren rund 30.000 Polizisten scheint einer Schere gleich immer weiter auseinanderzugehen. Erstere beklagen immer häufiger Fälle von Polizeigewalt, nicht selten auf Handyvideos festgehalten. Letztere sehen das Aggressionspotential eher im polizeilichen Gegenüber. Auf diesen Konflikt blickt am Mittwochabend Gregor Stuhlpfarrers "Menschen & Mächte"-Dokumentation mit dem Titel "Wenn die Polizei kommt" (22.30 Uhr auf  ORF 2).

So kam es, dass es in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anstieg an Anzeigen wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" gab. "Es ist an der Tagesordnung, dass Kolleginnen und Kollegen attackiert werden, durch Fußtritte, durch Angriffe, durch Faustschläge", sagt darin etwa Manfred Ihle, erfahrener Polizist und Kommandant der Bereitschaftseinheit der Wiener Polizei. "Diese Hemmungslosigkeit, das ist für mich in den letzten Jahren ein bisschen überraschend."

Aktivist verprügelt

Gewalt von der anderen Seite hat hingegen ein 52-jähriger Kärntner erlebt. Im Mai 2019 nahm er an einer Klimademo teil, setzte sich als Protestmaßnahme auf die Straße. Ein in den sozialen Netzwerken kursierendes Video zeigte später, wie ihn mehrere Polizisten am Boden fixieren und ihn einer mit Schlägen traktiert. Zwei davon wurden vergangenen Monat (nichts rechtskräftig) zu bedingten Haftstrafen verurteilt.

Auf "ORF 2" spricht er erstmals im ausführlichen Interview über besagten Tag. Zu Wort kommt auch eine junge Mutter, die ihren Fall in "Heute" publik machte. Sie soll am Rande einer Kundgebung mit einem Schlagstock attackiert worden sein, hat dafür auch Zeugen. Doch das Verfahren gegen den Beamten wurde eingestellt, obwohl er einen Einsatz des Schlagstockes gegen mehrere Menschen einräumte. Die 23-Jährige sei wohl einfach gestolpert, erklärte die Staatsanwaltschaft ihre Blutergüsse und Prellungen.

Auf der Suche nach Erklärungen geht man bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück und fragt Experten und Expertinnen nach ihren Empfehlungen für eine bürgernahe Polizei der Zukunft. In diesem Zusammenhang beleuchtet die Dokumentation auch die wichtigen Schnittstellen Polizei – Staatsanwaltschaften – Gerichte und thematisiert die Erfolge und Misserfolge polizeilicher Deeskalationsstrategien und deren Training.

Grätzlpolizist

Gregor Stuhlpfarrer hat dazu auch einen "Grätzlpolizisten"  begleitet, der eine mögliche Instutition der Zukunft darstellen könnte. Bei den Themen Body-Cams und Cyberkriminalität wird weitere Zukunftsmusik anklingen. Besondere Einblicke gibt es auch in den polizeilichen – und den selten behandelten kriminalpolizeilichen – Alltag, ebenso wie in die Ausbildung

Woher kommt also diese Zunahme an Gewalt? Ist sie ein Ausdruck gestiegenen Misstrauens zwischen Polizei und Bürgern? Müssen Polizisten für aufgestauten Frust gegen den Staat, Politik und Parteien herhalten? Geht die Gewalt also stärker gegen die Uniform als den einzelnen Beamten? Sind Polizisten auf der anderen Seite bei Demonstrationen, Fußball-Matches oder ganz gewöhnlichen Amtshandlungen manchmal überfordert? Warum gehen immer wieder Amtshandlungen schief und enden schließlich vor Gericht?

Mögliche Antworten darauf werden unter anderem mit Oliver Scheiber (Richter), Alexia Stuefer (Anwältin) oder Maria-Luise Nittel (Staatsanwaltschaft Wien) besprochen. Die Sendung ist danach auch in der TV-Thek für sieben Tage abrufbar.

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