Politik

Psychiater über Kurz: "Er würde es wieder machen"

Für Gerichtspsychiater Reinhard Haller geben die ÖVP-Chats den Narzissmus des Kurz-Umfeldes preis. Das Image des Ex-Kanzlers sei zerstört worden. 

Nikolaus Pichler
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Gerichtspsychiater Reinhard Haller analysiert die ÖVP-Affäre rund um die Skandal-Chats. 
Gerichtspsychiater Reinhard Haller analysiert die ÖVP-Affäre rund um die Skandal-Chats. 
Günther Pichlkostner / First Look / picturedesk.com

Serien-Frauenmörder Jack Unterweger, Bombenhirn Franz Fuchs oder der Grazer Amokfahrer Alen R.: Gerichtspsychiater Reinhard Haller blickte in die Psyche der größten Verbrecher Österreichs. Der "Kurier" bat Haller um eine Analyse der Skandalaffäre rund um die ÖVP-Chats. Sein Fazit? "Natürlich ist hier ein narzisstisches Geschehen zu beobachten. Allein die enorme Anzahl von 300.000 Chats zeigt einem forensischen Psychiater, dass ein hohes Maß an Eigensucht geherrscht hat", erklärt der Kriminal-Experte.

Auch ihn selbst erstaunte dabei die Naivität der Kurz-Partie. "Sie hätten wissen müssen, dass solche Chats rekonstruierbar sind", erklärt Haller gegenüber der Tageszeitung. 

Diese Haltung entspricht aus seiner Sicht jedoch klassischen narzisstischen Mustern. "Die große Gefahr am Narzisstischen ist: Man ist nicht mehr geerdet, man hebt ab, ist nicht mehr mit der Wirklichkeit verbunden", betont der Vorarlberger. Doch die Chats offenbaren für den Psychiater noch mehr. "Diese Chats zeigen, dass Kurz kein Messias, keine Lichtgestalt, kein Heiliger ist, sondern dass er unvermutete Eigenschaften hat."

Nachsatz: "Als Politiker hat er ein neues System und eine neue Denkweise versprochen. Das andere Qualitätsmerkmal an ihm war, dass er nach außen hin immer sehr höflich auftrat. Er hat nie jemanden verletzt oder untergriffig attackiert. Dieses Bild wurde nun zerstört."

Experte sieht Macht als Bewegunggrund für Polit-Karriere

Aus der Sicht des Experten für die menschlichen Untiefen gibt es außer Macht "keinen anderen Grund warum man in die Politik geht". "Politische Macht muss etwas Drogenhaftes haben – vor allem für Männer", glaubt Haller. Glaubt man dem Psychiater, wurde Sebastian Kurz in der Affäre um frisierte Umfragen auch sein eigenes Alter zum Verhängnis. "Bei einem jungen Menschen beherrscht das Machtstreben die Person. Bei einem lebenserfahrenen Menschen ist es umgekehrt: Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch mit der Macht richtig umgehen kann, jedenfalls größer."

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    Bundeskanzler Sebastian Kurz wie ihn heute (fast) niemand mehr kennt.  Seit diesem Bild 2010 – da war er noch Bundesobmann der JVP und zog gerade in den Wiener Gemeinderat ein – legte er einen kometenhaften Aufstieg hin.
    Bundeskanzler Sebastian Kurz wie ihn heute (fast) niemand mehr kennt. Seit diesem Bild 2010 – da war er noch Bundesobmann der JVP und zog gerade in den Wiener Gemeinderat ein – legte er einen kometenhaften Aufstieg hin.
    imago stock&people

    An der fehlenden Entschuldigung der ÖVP übt Haller Kritik. Er sieht darin ein "No-Go". "Das zeigt, dass man kein Unrechtsbewusstsein besitzt." Wobei Haller glaubt, dass die peinlichen Chats dem ehemaligen Regierungschef ohnehin nicht leid täten. "Er würde es wahrscheinlich wieder so machen, wenn er nicht wüsste, was die Folgen und Konsequenzen sind", mutmaßt der renommierte Gutachter.