Der Aufenthaltsort des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny ist seinen Unterstützern zufolge weiterhin unklar. Wie seine Sprecherin Kira Jarmysch am Dienstag mitteilte, sei der 47-Jährige erneut nicht zu einer Gerichtsanhörung per Videoschaltung erschienen. Sie bekräftigte ihre Erklärung von gestern, dass Nawalny aus dem Straflager IK-6 in Melechowo rund 240 Kilometer östlich von Moskau verlegt werde.
Das Weiße Haus sagte, es sei "zutiefst besorgt" über Berichte über das Verschwinden von Nawalny. Wie das US-Außenministerium mitteilte, habe man die russischen Behörden daran erinnert, dass sie für das, was Nawalny widerfahre, verantwortlich seien. "Er sollte sofort freigelassen werden. Er hätte überhaupt nicht inhaftiert werden dürfen, und wir werden mit unserer Botschaft in Moskau zusammenarbeiten, um zu sehen, wie viel mehr wir herausfinden können", sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, gegenüber Reportern.
Die russische Führung wies Fragen nach Nawalnys Verbleib zurück. Es gehe um einen Gefangenen, der nach dem Gesetz schuldig gesprochen worden sei und seine Strafe verbüße, so Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. "Hier halten wir jede Einmischung von irgendjemandem, einschließlich der USA, für inakzeptabel und unmöglich", sagt Peskow.
Schon seit einer Woche haben die Anwälte keinen Kontakt mehr zu ihm. Laut Nawalnys Mitarbeiterin Ljubow Sobol hängt der Zeitpunkt der Verlegung wohl mit der Ankündigung Putins, bei der Präsidentenwahl im März erneut zu kandidieren, zusammen. "Sie haben derart Angst vor Nawalny, dass sie entschieden haben, ihn so weit wie möglich von der Außenwelt abzuschneiden", so Sobol.
Nawalnys Umfeld hatte sich bereits darauf vorbereitet, dass der Oppositionspolitiker in ein härteres Straflager verlegt werden könnte. Im August war der Putin-Gegner zu weiteren 19 Jahren Haft verurteilt worden, zusätzlich zu den elfeinhalb Jahren, die er derzeit absitzt. Vor seiner Inhaftierung hatten er und seine Unterstützer eine Kampagne gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin gestartet. Unterstützer von Nawalny behaupten, seine Festnahme und Inhaftierung seien ein politisch motivierter Versuch, seine Kritik an Putin zu unterdrücken.
Die Tatsache, dass sie Nawalny nicht finden können, ist für die Helfer des inhaftierten Oppositionellen besonders alarmierend, da er letzte Woche in seiner Zelle krank wurde. Nawalny habe vergangene Woche einen Schwächeanfall erlitten und musste daraufhin mit einem Tropf ernährt werden, möglicherweise weil er nichts mehr zu essen bekam, schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf X (ehemals Twitter). Davor gab es zumindest gelegentlich Briefe von ihm, wenn auch zensierte, aber seit einer Woche gibt es keine Briefe mehr," so Jarmysch.
Am Freitag hatte Nawalnys Team erstmals Alarm geschlagen, nachdem der 47-Jährige nicht wie sonst bei Gerichtsverhandlungen per Video zugeschalten wurde. Mitarbeiter des Strafvollzugs erklärten das Scheitern der Videoschaltung mit fehlendem Strom, wie Nawalnys Team mitteilte.