Ukraine

Putins jüngste Opfer sprechen – er zerstörte ihre Leben

Erschütternde Bilder aus der Ukraine legen die Brutalität der Russen-Angriffe schonungslos offen. Auch viele Kinder wurden Opfer von Putins Krieg.

Roman Palman
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Die kleine Yana wurde beim Besteigen eines Evakuierungszuges von einer Raketen-Explosion getroffen.
Die kleine Yana wurde beim Besteigen eines Evakuierungszuges von einer Raketen-Explosion getroffen.
Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

Ohne Rücksicht auf Verluste hat die russische Armee auf Befehl von Kreml-Despot Wladimir Putin (69) Städte in der Ukraine bombardiert. Längst geht es nicht mehr nur um militärische Ziele, wie die russische Propaganda weiter behauptet. Wohnhäuser, Schulen, Spitäler wurden von den Bomben getroffen, liegen in Schutt und Asche.

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Verletzte Zivilisten werden in Krankenhäuser von unbesetzten Städten im westlichen Teil der Ukraine behandelt, einige sogar in anderen Ländern. Besonders erschütternd: viele unschuldige Kinder und junge Menschen sind darunter. Ihnen wurden durch Putins Bomben Arme oder Beine abgerissen. Sie haben noch ihr ganzes Leben vor sich, doch nichts wird wieder wie vorher. Sie sind für immer verstümmelt.

Die beiden Reporter Emilio Morenatti und Elena Becatoros der Nachrichtenagentur AP zeigen nun mit dramatischen Bildern schonungslos das Leid der unschuldigen Opfer und erzählen ihre Geschichten:

Yana (11) verlor beide Füße

Die kleine Yana Stepanenko und ihre Familie trafen die Reporter in einem Krankenhaus in Lemberg (Lwiw). Sie wurde vom russischen Angriff völlig überrascht, als sie gemeinsam mit ihrer Mama Natascha (43) und ihrem Zwillingsbruder Yarik in Kramatorsk einen Evakuierungszug besteigen wollte. Mindestens 39 Zivilisten wurden von Putins Raketen getötet, Yana und ihre Mama wurden schwerst verletzt.

Der Elfjährigen wurden beide Füße abgerissen, einer knapp über dem Knöchel, der andere am Schienbein. Auch ihre Mutter verlor einen Fuß. Nur der kleine Yarik überstand den russischen Angriff wie durch ein Wunder unverletzt. Jetzt muss er sich wie ein Großer um seine Mutter und Schwester kümmern und holt für sie Rollstühle und Essen. 

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    Die kleine Yana Stepanenko (m.) und ihre Familie wurden Opfer eines russischen Raketen-Angriffs auf den zivilen Bahnhof von Kramatorsk.
    Die kleine Yana Stepanenko (m.) und ihre Familie wurden Opfer eines russischen Raketen-Angriffs auf den zivilen Bahnhof von Kramatorsk.
    Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

    Natasha hat den schrecklichen Moment immer noch nicht verarbeitet. "Manchmal scheint es, als wäre es nicht uns passiert", wird sie in einem Bericht der deutschen "Bild" zitiert. Am meisten sorge sie sich um ihre Tochter: "Ich kann ihr als Mutter nicht helfen, ich kann sie nicht hochheben oder ihr beim Umziehen helfen (…). Ich kann sie nur mit meinen Worten vom Bett aus unterstützen."

    Yana selbst will einfach nur wie andere Kinder durch die Gänge der Klinik tollen. Doch das geht nicht mehr. Ihre große Hoffnung ist es nun, mit Prothesen wieder selbst mobil zu werden: "Ich möchte wirklich laufen".

    Nastia (21) durchlebte höllische Schmerzen

    Nastia Kuzik und ihre Familie hatten zusammen mit Dutzenden anderen Menschen Zuflucht in einem Keller in Tschernihiw gesucht. Nach Tagen in beinahe völliger Dunkelheit und ohne fließendes Wasser, wollte die 21-Jährige nur kurz das nahe Haus ihres Bruders aufsuchen.  

    Bei ihrer Rückkehr konnte sie das Unheil schon kommen hören und rannte los. Zu spät! Nur wenige Meter vom Eingang des Luftschutzkellers entfernt wurde Nastia von einer Explosion zu Boden geschleudert. Eines ihrer Beine war völlig zerfetzt, die Ärzte konnten es nur noch unterhalb des Knies amputieren. Das andere war gebrochen.

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      Nastia Kuzik (21) wurde vor dem Eingang zu einem Luftschutzkeller von einer Explosion erfasst. 
      Nastia Kuzik (21) wurde vor dem Eingang zu einem Luftschutzkeller von einer Explosion erfasst.
      Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

      Jetzt muss sie durch eine schmerzhafte Physiotherapie. "Ich hätte nie gedacht, dass mir das jemals passieren würde. Aber da es nun passiert ist, was kann ich tun?", schildert sie den Journalisten. "Ich akzeptiere es", sagt sie mit Tränen im Gesicht. 

      Nastia spricht Deutsch, hatte Kindern Nachhilfe in der Sprache gegeben und hatte vor, in Deutschland zu studieren. Anfang Mai wurde sie in eine Spezialklinik nach Leipzig zur weiteren Behandlung gebracht. Das sei nicht die Art, wie sie sich ihren Aufenthalt in Deutschland erträumt hatte. Trotzdem allem will die 21-Jährige optimistisch bleiben und das Beste aus ihrer schlimmen Situation machen.

      Anton (22) erwachte mit nur einem Arm aus Koma

      Anton Gladun war als Sanitäter direkt an der Front in der Ostukraine im Kampfeinsatz. Zu Beginn hielt er noch regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter Lidiya, doch plötzlich herrschte Funkstille. Nach drei Wochen in Sorge wurde ihr ein Facebook-Posting eines Krankenhauses in Charkiw weitergeleitet. Ihr Sohn war dort schwer verletzt eingeliefert worden.

      Nach Tagen im Koma war der 22-Jährige ohne Beine und linken Arm aufgewacht. Alle drei Gliedmaßen wurden durch einen Bombentreffer Ende März verstümmelt und mussten amputiert werden.

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        Anton Gladun (22) war als Sanitäter direkt an der Front in der Ostukraine im Kampfeinsatz.
        Anton Gladun (22) war als Sanitäter direkt an der Front in der Ostukraine im Kampfeinsatz.
        Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

        Trotz allem gibt er nicht auf: "Ich habe gelächelt, als ob alles in Ordnung wäre. Ich dachte, das Wichtigste sei, dass ich am Leben bin", erinnert er sich an den ersten Moment nach dem Aufwachen. Danach litt er aber an Albträumen und schlimmen Halluzinationen, brauchte psychologische Hilfe.

        Mittlerweile kümmert sich seine Mama im Krankenhaus um ihn, prüft regelmäßig die Verbände. Ihr berichtete er mit einer Portion Galgenhumor von seinem schlimmen Schicksal. "Er erwähnte Flip-Flops und sagte dann, dass er keine Flip-Flops mehr brauche", schildert Lidiya ihr erstes Telefonat. 

        Oksana (23): "Da waren nur noch Knochen, Fleisch und Blut"

        Oksana Balandina ist fürs Leben gezeichnet. Sie hat am 27. März durch eine explodierende Granate nahe ihrem Haus beide Beine und vier Finger ihrer linken Hand verloren.

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          Oksana Balandina verlor durch eine Landmine nahe ihrem Haus beide Beine und vier Finger ihrer linken Hand.
          Oksana Balandina verlor durch eine Landmine nahe ihrem Haus beide Beine und vier Finger ihrer linken Hand.
          Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

          "Es gab eine Explosion. Kurz danach fühlte ich meine Beine in eine Art Leere stürzen. Ich habe versucht, mich umzusehen und bemerkte, dass da gar keine Beine mehr waren – nur Knochen, Fleisch und Blut", beschreibt die 23-Jährige den Schockmoment. Auch anderthalb Monate später benötigt sie noch medizinische Betreuung in einem Spital in Lemberg.

          Doch sie ist nicht alleine. Ihr frisch angetrauter Ehemann Viktor (23) kümmert sich rührend um sie. Die Hochzeitszeremonie hielt das junge Paar im Spital ab. Gemeinsam finden sie selbst in dieser schweren Zeit zu einem glücklichen Lächeln.

          Olena (45) verlor Sohn im Bombenhagel

          Olena Viter überlebte die Explosion einer russischen Bombe mit einem zerfetzten Bein. Ihr 14-jähriger Sohn Ivan hingegen war auf der Stelle tot. Zusammen mit ihrem Ehemann musste die Frau ihr Kind unter einem Schneeball-Strauch im eigenen Garten begraben. Der Friedhof war durch die Kämpfe für sie nicht erreichbar. Einen anderen Buben, der durch den selben Feuerball getötet worden war, legten sie ebenfalls mit ins gleiche Grab. 

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            Olena Viter überlebte die Explosion einer russischen Bombe mit einem zerfetzten Bein.
            Olena Viter überlebte die Explosion einer russischen Bombe mit einem zerfetzten Bein.
            Emilio Morenatti / AP / picturedesk.com

            "Wie soll ich ohne Iwan leben? Er wird für immer in meinem Herzen bleiben, wie der Splitter, der ihn getroffen hat", sagt sie laut "Bild"-Bericht. Der Verlust ihres Kindes und eines Beines haben sie schwer mitgenommen. "Jeden Tag gewöhne ich mich an eine neue Art von Schmerz. Ich denke darüber nach, welche Art von Schmerz ich in der Zukunft erleben werde".  

            Das erlebte Leid raubt ihr jede Perspektive auf eine glückliche Zukunft: "Ich muss lernen, wie man [damit] lebt. Aber wie? Das weiß ich noch nicht."

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              Ein Schreiben des ukrainischen Präsidenten soll bei Wladimir Putin einen Wutanfall ausgelöst haben. Er tobt in Richtung Ukraine: "Ich werde sie verprügeln."
              Ein Schreiben des ukrainischen Präsidenten soll bei Wladimir Putin einen Wutanfall ausgelöst haben. Er tobt in Richtung Ukraine: "Ich werde sie verprügeln."
              Reuters