Ein vertraulicher vorläufiger US-Geheimdienstbericht hat Zweifel an der Wirksamkeit der US-Angriffe auf das iranische Atomprogramm aufkommen lassen. US-Medien berichteten am Dienstag unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass die Angriffe das iranische Atomprogramm nur um einige Monate zurückgeworfen, nicht jedoch zerstört hätten. US-Präsident Donald Trump wies die Berichte zurück und betonte, die Atomanlagen im Iran seien "vollständig zerstört". Doch es gibt Fragezeichen.
Den Medienberichten zufolge wurden bei den Angriffen vom Wochenende die iranischen Zentrifugen und Vorräte an angereichertem Uran nicht vollständig zerstört. Demnach wurden durch die Angriffe die Zugänge zu einigen Anlagen versperrt, ohne dass unterirdische Gebäude zerstört wurden. US-Präsident Trump wies die Berichte zurück und kritisierte dabei den Sender CNN und die "New York Times". "Die Nuklearanlagen im Iran sind vollständig zerstört!", erklärte er auf seiner Onlineplattform Truth Social.
Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, bestätigte zwar die Echtheit der Geheimdienst-Einschätzung. Sie sagte jedoch, sie sei "völlig falsch und als 'streng geheim' eingestuft worden, aber trotzdem durchgesickert". Die Weitergabe dieser "angeblichen Einschätzung" sei ein "klarer Versuch", Trump und die "mutigen Kampfpiloten" zu diskreditieren.
Leavitt bezeichnete die Mission als "perfekt ausgeführt" und erklärte im Onlinedienst X: "Jeder weiß, was passiert, wenn man 14 30.000-Pfund-Bomben (rund 13,6 Tonnen) perfekt auf ihre Ziele abwirft: totale Vernichtung." Trumps Nahost-Sonderbeauftragter Steve Witkoff sagte dem Sender Fox News, die Berichte, "die in gewisser Weise suggerieren, dass wir das Ziel nicht erreicht haben, sind einfach völlig absurd". Die Atomanlagen Fordo, Natans und Isfahan seien ausgelöscht worden.
Der Atomexperte Georg Steinhauser, Professor an der Technischen Universität Wien, gab am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf seine Einschätzung ab. "Das ist von Haus aus auch nicht zu erwarten gewesen", sagte der Experte dazu, dass es direkt nach den Angriffen geheißen habe, es sei keine Radioaktivität freigesetzt worden. "Uran, selbst wenn es getroffen und freigesetzt wurde, die Uran-Verbindungen aus diesen Anlagen herauskommen, dann sind die fast nicht radioaktiv", so Steinhauser.
Anders als es sich die Leute vorstellen würden, habe Uran nicht diese hohe Radioaktivität, sondern durch lange Halbwertszeit nur eine sehr geringe: "Mit anderen Worten, das ist mehr ein Schwermetall als eigentlich ein radioaktiver Stoff." Dazu, dass niemand wisse, wohin 400 Kilogramm Uran aus den Atomanlagen verschwunden seien, sagte Steinhauser: "Diese Menge an Uran, die muss nicht großartig wo versteckt werden. Wenn das in Metall konvertiert worden ist, dann ist das praktisch überall zu verstecken."
Aufhorchen ließ der Experte damit: Dass diese Menge an Uran bei den Angriffen zerstört worden sei, "daran glaubt nicht einmal in den USA oder Israel irgendjemand". Die Wahrscheinlichkeit, dass das Uran vor den Angriffen in Sicherheit gebracht worden sei, sei "unglaublich hoch". Dass mit dem angereicherten Uran zehn Atombomben herstellbar seien, schätzte der Experte als "theoretisch" ein: "Es ist noch nie mit so schlecht angereichertem Material eine Atombombe gebaut worden." Es sei denkbar, "aber unglaublich unpraktikabel".
Aber: Es sei ein "Ausgangsmaterial" dazu, aus dem schlechten Material ein hochangereichertes, waffenfähiges zu machen. Dafür brauche es allerdings Zentrifugen – und deshalb laute die zentrale Frage, ob diese im Iran noch intakt seien. Seien die Anlagen tatsächlich zerstört worden, dann sei das iranische Atomprogramm "am Boden". Von außen sei allerdings sehr schwer zu beurteilen, ob dies der Fall sei. Von außen sei in der zentralen Atomanlage "kein Absenkungskrater" sichtbar, die Bomben "müssen tief in der Erde detoniert sein".