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Rechtsextremer Messermann aus linkem Promi-Elternhaus

Ein 22-jähriger Rechtsextremer aus einer bekannten Zürcher Familie stach im Juni 2020 einen Menschen fast zu Tode.

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Grosse Wellen schlug der Prozess nicht – unter anderem auch, weil das Gericht extensive Auflagen gemacht hatte, um die Anonymität des Beschuldigten und seiner Familie zu wahren.
Grosse Wellen schlug der Prozess nicht – unter anderem auch, weil das Gericht extensive Auflagen gemacht hatte, um die Anonymität des Beschuldigten und seiner Familie zu wahren.
REUTERS

"White Lives Matter": Ein junger Mann provoziert im Juni 2020 vor einem Zürcher Einkaufszentrum mit einem T-Shirt-Slogan, der von amerikanischen Rassisten als Reaktion auf die "Black Lives Matter"-Bewegung ins Leben gerufen wurde. Als er bemerkt, wie er von einer Gruppe FCZ-Fans kritisch beäugt wird, kauft er im Coop ein Rüstmesser. Nachdem er von drei Personen aus der Gruppe aufgefordert wird, sein T-Shirt auszuziehen oder zu verschwinden, zückt er das Messer und sticht zu. Ein 18-Jähriger wird lebensgefährlich verletzt und muss im Spital mehrmals notfalloperiert werden. Nur mit viel Glück überlebt er.

Der Fall wird im Juli 2022 vor dem Zürcher Bezirksgericht verhandelt. Dabei reduzierte das Gericht die von der Staatsanwaltschaft geforderte Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren auf fünfeinhalb Jahre. Große Wellen schlug der Prozess nicht – unter anderem auch, weil das Gericht extensive Auflagen gemacht hatte, um die Anonymität des Beschuldigten und seiner Familie zu wahren. Diese sei aufgrund der Bekanntheit der Familie nämlich besonders schützenswert. Insbesondere dürfe auf gar keinen Fall ein identifizierender Bezug zu einem kulturellen Projekt hergestellt werden, das der Beschuldigte mit seiner Familie produziert und veröffentlicht hat. Sollten Medien gegen die Auflagen verstoßen, drohten Strafen oder gar der Entzug der für Gerichts­reporter essenziellen Akkreditierungen beim Gericht.

Hetze und Gewalt­fantasien

Das Online-Magazin "Republik" hat nun den Fall vor einigen Tagen in über 28.000 Zeichen aufgerollt. Vertieft beleuchtet wird darin unter anderem auch die rechtsterroristische Ideologie, die "Simon Bucher", wie ihn die "Republik" nennt, online verbreitet hatte. Von 2.430 Tweets Buchers wiesen demnach 615 auf eine "eindeutige rechtsterroristische Ideologie" hin. So schrieb er etwa, dass er sich mehr rechts­extreme Massen­mörder wie Anders Breivik oder Brenton Tarrant herbeiwünscht und dass alle Antifaschisten hingerichtet werden sollten.

Oder, dass weiße, heterosexuelle Männer die Vorherrschaft über die Welt haben sollen, dass Nicht-Weiße genetisch und kulturell minderwertig seien und Frauen nicht wählen, sondern die Bedürfnisse der Männer befriedigen sollen. Bucher hoffte laut einem Tweet auf einen Rassenkrieg: "Der Kulturkampf ist drauf und dran, zum Rassenkampf auszuarten, großartig. Es geht nicht um Klasse oder den Klassen­kampf, werte Marxisten, sondern Rasse und den Rassenkampf."

Zu Wort kommt auch, dass Simon Bucher und sein Bruder im Juni 2020 mit einer Machete auf eine 200-jährige Linde im Rieterpark einhackten. Auch eine Jungbuche im Wert von rund 5.000 Euro im Belvoirpark hackten sie im gleichen Monat um. Mehrfach hat Simon Bucher zudem Marihuana konsumiert und über 120 Gramm davon mit seinem Bruder verkauft. Zudem konsumierte Bucher auch Crystal-Meth und Thaipillen – ein Gemisch von Methamphetamin und Amphetamin. Mit seinem besten Kollegen – ebenfalls ein Kind eines Promi-Zürchers – entwendete Bucher 2019 darüber hinaus mehrmals das Fahrzeug dessen Vaters und fuhr trotz Lernfahrausweis ohne Begleitperson durch Zürich.

Stadtpolizei-Detektiv befürchtet Attentat

Laut den Untersuchungsakten, die der "Republik" vorliegen, war die Stadtpolizei Zürich alarmiert: Sie kam zum Schluss, dass sich Bucher seit 2019 ein "xeno- und misanthropisches Weltbild" aufgebaut hatte, "eine klare und vertiefte Radikalisierung" durchgemacht und eine "rassistische Einstellung" verinnerlicht habe. Wie ein Detektiv schrieb, gebe es eine "ernsthafte Befürchtung und Annahme", dass der Mann wieder "eine ähnliche Tat" ausführen könnte – oder "noch schlimmer ein Attentat".

Obwohl sich die "Republik" im Artikel an die Auflagen des Gerichts hält, Pseudonyme verwendet und die Identität des Beschuldigten und seiner Familie unter Verschluss hält, geht seit Freitag auf Social Media der Name des Beschuldigten umher. Vor allem auf Twitter bemängeln zahlreiche Userinnen und User die als zu milde eingestufte Bestrafung des Täters. Diese sei wohl darauf zurückzuführen – so die Vermutung – dass Simon Bucher aus einer wohlhabenden, bekannten Zürcher Familie stammt.

In der Kommentarsektion der "Republik" üben verschiedene Leserinnen und Leser aber auch Kritik am Magazin selbst: "Und heute Morgen, 24 h nach der Publikation, wissen alle, wer Simon Bucher ist. Allüberall das Wohlgefühl eines befriedigten Voyeurismus. Egal ob links- oder rechtsextreme oder religiöse oder terroristische Tat: Muss wirklich die ganze Familie durch den Kakao gezogen werden, wenn ein Kind entgleist, liebe Republik?"

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