Jetzt ist es heraus: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch sein mit Spannung erwartetes Statement zum weiteren Fahrplan für die Bildung der neuen Regierung nach der Nationalratswahl abgegeben.
"Ich habe die Zeit seit der Wahl genutzt, um Gespräche mit den Vorsitzenden aller Parlamentsparteien zu führen und mir einen Eindruck von den jeweiligen Positionen zu verschaffen. Und um ein klares Bild für mögliche konstruktive Zusammenarbeit in einer künftigen Koalition zu entwickeln", begann der Präsident seine knappe Rede vor der Presse in der Hofburg.
Und er machte gleich klar, wie verzwickt die Situation nach diesem Wahlergebnis und der speziellen Situation der Parteien sei.
"Jede Partei muss einen Partner oder sogar mehrere Partner finden, um eine Regierung bilden zu können", so VdB. Und: "Es braucht mindestens zwei der drei größeren Parteien für eine künftige Zusammenarbeit."
Das allein ist ja noch nichts Ungewöhnliches. Und würde eigentlich den üblichen Weg vorzeichnen, dass der Bundespräsident den Vorsitzenden der stimmenstärksten Partei beauftragt, Gespräche für eine Regierungsbildung zu führen.
„Es ist völlig neu, dass es einen Wahlsieger gibt, mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren will“Alexander Van der BellenBundespräsident
Aber, so VdB: "Diesmal ist ein unüblicher Fall eingetreten: Es ist völlig neu, dass es einen Wahlsieger gibt, mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren will."
Denn, so der Bundespräsident weiter: "Die ÖVP schließt eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert Kickl aus. Und SPÖ, NEOS und Grüne wollen jetzt mit der FPÖ grundsätzlich nicht regieren." Das haben alle Genannten explizit erklärt.
Herbert Kickl wiederum habe ihm "am vorigen Freitag aus erster Hand versichert, dass es die FPÖ in einer Regierung nur mit ihm als Bundeskanzler gäbe".
Damit seien wir in einer "klassischen Pattsituation". Und die Frage stelle sich: "Wie kommen wir aus dieser Pattsituation heraus?"
Vor den nächsten Schritten wolle er "sicher gehen", erklärte VdB: "Meinen alle Beteiligten wirklich ernst, was sie gesagt haben? Ich weiß, davon ist eigentlich auszugehen, aber ich will Klarheit für Österreich."
Der Bundespräsident manövriert sich zunächst selbst aus seiner Zwickmühle (Auftrag für Kickl oder nicht?) heraus und schiebt den Ball wieder zu den Parteichefs. Er kommt mit einer durchaus unorthodoxen Lösung – FPÖ-Kickl, ÖVP-Nehammer und SPÖ-Babler sollen sich zusammenraufen.
"Ich bitte die Vorsitzenden der drei stimmenstärksten Parteien, Herbert Kickl, Karl Nehammer und Andreas Babler, Gespräche miteinander auf Parteichef-Ebene zu führen und verlässlich zu klären, ob und welche wechselseitige Zusammenarbeit grundsätzlich vorstellbar ist oder wäre."
Heißt im Klartext: Die Drei sollen jetzt mal checken, ob und zwischen wem etwas geht und wer mit wem wirklich nicht kann. Bis Ende nächster Woche gibt VdB den Parteichefs dafür Zeit. Dann wird er sie zum Rapport laden, was bei ihren Gesprächen herausgekommen sei.
"Ja, das ist neu in der Vorgangsweise", sagte Van der Bellen. "Aber notwendig, um aus dem Patt herauszukommen. Und zwar ohne wertvolle Zeit zu verlieren."
„Sondierungsgespräche, die von vornherein – mit Ansage – zum Scheitern verurteilt sind, bringen Österreich nicht weiter“Alexander Van der BellenBundespräsident
Explizit will VdB damit "leere Kilometer" vermeiden, die sich durch einen Auftrag an Kickl, mit dem aber niemand koalieren will, ergeben würden. "Sogenannte Sondierungsgespräche die von vornherein – und zwar mit Ansage – zum Scheitern verurteilt sind, bringen Österreich nicht weiter", so der Bundespräsident.
Angesichts der großen Probleme, die das Land anzugehen habe, brauche es "auch neue Lösungen", erklärte VdB – dafür sei "diese neue Art des Gesprächs nötig".
"Eine elegante Lösung", kommentierte Politik-Analyst Peter Hajek den Move Van der Bellens in einer ersten Reaktion gegenüber "Heute". VdB habe Kickl nicht beauftragt, aber auch nicht ausgeschlossen.
Man darf gespannt sein, wie Kickl, Nehammer und Babler die vom Staatsoberhaupt verordneten Gespräche jetzt angehen. Der FPÖ-Chef stellte gleich klar, in welcher Position er sich dabei sieht: Als Chef des "klaren Wahlsiegers FPÖ" werde er "gerne jeweils Gesprächstermine mit dem Zweit- und Drittplatzierten koordinieren", ließ er via Aussendung und Instagram-Posting wissen.
„Werde gerne jeweils Gesprächstermine mit dem Zweit- und Drittplatzierten koordinieren“Herbert KicklFPÖ-Chef
SPÖ-Chef Babler schrieb auf X, er stehe bereit für die Gespräche mit Kickl und Nehammer: "Wir werden das weitere Vorgehen abstimmen." Unmissverständlich fügte er hinzu: "Für uns ist klar: Eine Koalition mit der FPÖ ist ausgeschlossen."
Seitens der Volkspartei hieß es lapidar auf X: "Wir nehmen den Auftrag des Bundespräsidenten ernst und stehen für Gespräche bereit."
Spekuliert wird auch bereits heftig, wie es nach diesen eineinhalb "Gesprächswochen" weitergeht. Dass sich ÖVP oder SPÖ mit Kickl auf einen gemeinsamen Versuch zusammenraufen, gilt als sehr unwahrscheinlich. Dann hätte VdB seine "Klarheit" – und der Weg wäre frei für den Regierungsauftrag an Karl Nehammer.