"Ungeheuerliche Doppelmoral"

Scheidungsanwältin reagiert auf CEO-Coldplay-Affäre

Martina Ammon hat in 25 Jahren als Scheidungsanwältin viele Trennungen begleitet. Im Fall Andy Byron offenbare sich eine große Doppelmoral.
20 Minuten
20.07.2025, 09:08
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Der reiche Tech-CEO fliegt mit der Affäre auf, während seine Frau mit den Kindern wohl zu Hause sitzt. Ein typischer Fall?

Leider ist dieses Klischee öfter Realität, als man denkt. Sehr erfolgreiche Männer versuchen oft, drei Leben in eines zu packen. Das Leben mit einer Frau reicht ihnen nicht, also haben sie entweder gleichzeitig mehrere oder viele relativ kurz hintereinander.

Das gegenteilige Klischee wäre die junge Frau, die den naiven, reichen, alten Mann um den Finger wickelt, um ihn bei der Scheidung abzuzocken. Passiert auch das?

Kaum, denn rechtlich ist das sehr schwierig. Moral spielt im Scheidungsrecht absolut keine Rolle, sondern lediglich das, was im Ehevertrag steht, wenn es denn einen gibt. Und sehr reiche Männer sind meist klug genug, sich rechtlich abzusichern. Andy Byron wird jetzt moralisch über alle Maßen verurteilt. Aber wenn seine Frau sich scheiden lässt, wird er vermutlich keinen Cent mehr bezahlen.

Finden Sie das okay?

Auch wenn viele tragische Geschichten dahinterstecken: ja. Moral sollte im Recht keine Rolle spielen. Aber gerade deshalb finde ich es wichtig, jetzt darüber zu sprechen, wo so viel Aufmerksamkeit auf dem Thema liegt: Wenn klar ist, dass der eine Teil eines Ehepaars – in den allermeisten Fällen die Frau – deutlich weniger verdient, muss sie einen Ehevertrag fordern. Und zwar in friedlichen Zeiten, im Idealfall direkt bei der Eheschließung.

"Schatz, ich will für immer mit dir zusammen sein. Aber falls das nicht klappt, will ich die Hälfte deines Geldes." Ist das nicht ziemlich unromantisch?

Es geht ja nicht darum, die Hälfte zu fordern. Es geht darum, dass die Frau in vielen Fällen den Großteil der Arbeit leistet, die keinen Lohn generiert: Sie erzieht die Kinder und kümmert sich um den Haushalt. Viele Frauen kommen für die Scheidung zu mir und sagen: Ich habe ihm 20 Jahre den Rücken freigehalten, ohne mich wäre er nie da, wo er jetzt ist. Und das stimmt wohl in vielen Fällen auch. Aber ohne wasserdichten Ehevertrag wird er dafür nicht bezahlen müssen.

Wie sieht ein fairer Ehevertrag denn aus?

Er ist so gestaltet, dass beide Partner auch nach einer Scheidung weiterhin einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten können und nicht etwa fürchten müssen, in die Altersarmut abzurutschen. Wichtig ist auch: Wenn sich die Lebenssituation verändert, zum Beispiel weil der Mann eine Firma gründet und die sehr erfolgreich wird, muss der Vertrag angepasst werden. Mich stört auch, dass oft anders geurteilt wird, wenn der Mann einen Ehevertrag verlangt, als bei der Frau.

Inwiefern?

Fordert der Mann, der mehr verdient, einen Ehevertrag, ist er klug, da er sein Vermögen schützt. Fordert die Frau dasselbe, wird sie als raffgierig und hinterlistig verurteilt. Dabei leistet sie in der Ehe möglicherweise gleich viel und versucht nur, ihre finanzielle Zukunft im Falle der Scheidung abzusichern.

Gibt es auch unfaire Eheverträge, bei denen Sie den Kopf schütteln?

Auf jeden Fall. Wir hatten einen Fall, wo ein Mann eine 40 Jahre jüngere Frau geheiratet hat, sie war seine vierte Ehefrau. Um 9 Uhr haben sie den Ehevertrag unterschrieben, um 12 Uhr war die Eheschließung. Bei der Scheidung sah ich den Ehevertrag, der sie komplett von allem ausgeschlossen hat. Ich war mir ziemlich sicher, dass das vor dem Gericht nicht standhalten wird. Doch das rein männliche Richtergremium argumentierte, dass sie hätte wissen müssen, worauf sie sich einlässt. Die Frau wurde ohne einen Cent abserviert.

Was täten Sie, wenn die Ehefrau von Andy Byron Sie mit der Scheidung beauftragen würde?

Dafür kenne ich die Situation zu wenig. Was ich aber häufig rate: Sich nicht sofort scheiden zu lassen, sondern erst das schlechte Gewissen des Ehemanns, der einen betrogen hat, zu nutzen, um ihn einen vorteilhaften oder zumindest fairen Ehevertrag unterschreiben zu lassen. Denn wie gesagt: Ohne geht die Frau meist leer aus, auch wenn sie betrogen worden ist.

Was ist das Toxischste, das Sie in einem Scheidungskrieg je erlebt haben?

Ich erlebe oft, dass Frauen zu lange in toxischen Beziehungen bleiben. Auf der anderen Seite hatte ich einmal einen Fall, in dem eine Frau im Scheidungskrieg ihrem Mann Gewalt vorgeworfen hat und dafür auch Bilder von Verletzungen gezeigt hat. Erst in mühsamer Recherche konnten wir beweisen, dass die Verletzungen aus einem Urlaub stammen, wo er gar nicht dabei gewesen ist.

Was sagen Sie dazu, wie die Öffentlichkeit jetzt mit Andy Byron umgeht?

Es ist eine regelrechte Hetzjagd, das ist sicher nicht gut. Und vor allem entlarvt es eine ungeheuerliche Doppelmoral: Es gibt Tausende Andy Byrons da draußen. Viele zeigen jetzt mit dem Finger auf ihn und sind schadenfroh, haben aber wohl selbst zumindest mit dem Gedanken gespielt, untreu zu werden oder hatten selbst schon eine Affäre.

Kann eine Affäre einer Ehe auch eine zweite Chance geben?

Ja. Ich hatte einen Fall, wo die Ehepartner nach einer Affäre des Mannes zu mir gekommen sind, um die Aufteilung der gemeinsamen Firma zu regeln. Die Ehe hat danach noch einmal zwölf Jahre gehalten, dann kam die Scheidung, aber alles war bereits sauber geregelt.

Ihr ultimativer Tipp für eine saubere Scheidung?

Bei mir landen leider meist die Scheidungen, die im Frieden nicht möglich sind. Aber das Einfachste ist tatsächlich: Rechtzeitig einen fairen Ehevertrag abschließen und ihn von Zeit zu Zeit überprüfen und nötigenfalls anpassen.

{title && {title} } 20 Minuten, {title && {title} } 20.07.2025, 09:08
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