Die US-Regierung unter Donald Trump soll ein wirtschaftswissenschaftliches Modell falsch verwendet haben, um ihre weitreichende Zollpolitik zu rechtfertigen. Das sagte der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Brent Neiman von der University of Chicago in einem Gastbeitrag für die "New York Times".
Neiman war überrascht, als er erfuhr, dass die Regierung seine gemeinsame Studie mit drei anderen Forschern als Grundlage für die Berechnung der Zölle heranzog – diese aber laut Neiman massiv fehlerhaft angewendet wurde. Die Zölle seien etwa viermal höher ausgefallen, als es die korrekte Anwendung der Formel ergeben hätte.
Der Wissenschaftler schrieb: "Ich stellte mir sofort die Frage: Wie um alles in der Welt wurden solche hohen Zölle berechnet?" Tags darauf habe das US-Handelsbüro seine Methodik veröffentlicht und ein Papier zitiert, das er mitverfasst hatte. "Aber sie haben es falsch gemacht. Sehr falsch."
Die Trump-Regierung habe laut Neiman eine Zollhöhe von 25 Prozent in die Berechnungen eingesetzt. Er kritisierte: "Woher kommen diese 25 Prozent? Haben sie etwas mit unserer Arbeit zu tun? Ich weiß es nicht." Tatsächlich arbeite seine Studie mit einem völlig anderen Wert. Hätte die Regierung diesen korrekt übernommen, so Neiman, wären die Zölle am Ende nur etwa ein Viertel so hoch ausgefallen wie tatsächlich beschlossen.
Besonders kritisch sieht der Ökonom die Verwendung sogenannter reziproker Zölle, mit denen Trump Handelsdefizite mit einzelnen Partnerstaaten ausgleichen wollte. "Das Handelsbüro sagte, es habe Zölle in einer Höhe berechnet, die theoretisch die Defizite mit ‹jedem unserer Handelspartner› beseitigen würden.
Ist das ein realistisches Ziel? Nein", schrieb Neiman. Handelsdefizite hätten oft nichts mit unfairem Handel zu tun, sondern mit Unterschieden bei Ressourcen, Spezialisierungen oder dem Entwicklungsstand eines Landes. "Das Defizit beweist weder unfairen Wettbewerb noch sonst etwas", schrieb Neiman.
Neiman, der während der Biden-Regierung auch im Finanzministerium tätig war, betonte, dass er die gesamte Handelspolitik der Trump-Regierung grundsätzlich ablehne. Doch selbst bei wohlwollender Betrachtung sei die Berechnungsgrundlage falsch gewesen.
Die Aussagen des Professors wurden publik, nachdem Trump vergangene Woche einen pauschalen Einfuhrzoll von zehn Prozent auf alle US-Importe angekündigt hatte. Trump rechtfertigte die Zölle mit dem Argument, dass diese lediglich eine Antwort auf bestehende Hürden für US-Produkte im Ausland seien. Zudem verspricht er sich davon einen Aufschwung für die amerikanische Industrie.