Immer wieder fror die Donau früher im Winter zu. "Die Strömung kam zum Erliegen, dicke Eisschollen verunmöglichten jeglichen Schiffsverkehr. Hielten die tiefen Temperaturen lange genug an, so zeigte sich das faszinierende Naturschauspiel des Eisstoßes, bei dem sich die Eismassen mit ungeheurer Wucht ineinanderschoben und meterhoch auftürmten", schreibt der Wiener Stadthistoriker Peter Payer.
Ein ganz besonderer Eisstoß war jener vom Februar 1929 – er wurde sogar zum gesellschaftlichen Event. Am 9. Februar erreichte der Eisstoß die Reichsbrücke, zwei Tage später Kritzendorf, dann Tulln und Krems. "Der Strom war erstarrt – zugefroren auf einer Länge von 40 Kilometern, von Ungarn bis in die Wachau", schreibt Payer.
Trotz der widrigen Wetterverhältnisse bei Temperaturen bis zu Minus 29 Grad strömten Massen von Schaulustigen an die Ufer. "Ehrfurchtsvoll" bestaunten sie Wiens neue Attraktion: "Der Frost sind allgemein Tagesgespräch, und die neueste Sehenswürdigkeit, das seit vielen Jahren nicht mehr geschaute Wunder des Eisstoßes", schrieb die "Neue Freie Presse" am 11.2.1929.
"Mit der Straßenbahn, mit Autos, zu Fuß – die Bundesbahnen hatten nach Heiligenstadt sogar einen Sonderzug in Betrieb gestellt – strebte alles der Donau zu, um ein anschauliches Bild einer Polarlandschaft zu bewundern", hieß es weiter in der Zeitung.
Eine wahre "Völkerwanderung" setzte ein, selbst Bürgermeister Karl Seitz und Stadtrat Julius Tandler ließen sich das Naturschauspiel nicht entgehen. "Arktische Metaphern, wie man sie sonst nur von polaren oder alpinen Expeditionen kannte, machten die Runde", schreibt Payer.
Man sprach von "Schollenchaos" und "Eiswüste", von "Gletscherfeldern" und "Gletscherspalten", die eine Tiefe bis zu fünf Metern erreichten. Verweigt wurde der Eisstoß auf Ansichtskarten, zu kaufen gab es "Eisstoß-Maroni, Eisstoß-Würstel und Eisstoß-Zuckerl ", so Payer zu "Heute".
Als besonderes Highlight fand sich am 12. Februar auch der Verein "Verkühle dich täglich!" unter der Reichsbrücke ein. Ein Loch wurde in die Eisdecke geschlagen und unter der Anleitung des 64-jährigen Arztes Dr. Panesch tauchten mehrere Männer und Frauen in die eisigen Fluten.