Österreich-News

Mittelschicht immer ärmer – Sozialmarkt wird gestürmt

Die Sozialmärkte geraten wegen der Teuerungswellen an ihre Belastungsgrenzen. Ein Lokalaugenschein aus Graz zeichnet ein Bild von purem Stress. 

Tobias Kurakin
Teilen
Der Grazer Vinzimarkt platzt derzeit fast aus allen Nähten.
Der Grazer Vinzimarkt platzt derzeit fast aus allen Nähten.
"Heute"

Die Teuerungen in beinahe jedem Bereich des täglichen Lebens haben dazu geführt, dass nun immer mehr Bürgerinnen und Bürger auf Hilfe angewiesen sind. Das bekommen auch die Sozialmärkte zu spüren, die mittlerweile einer enormen Belastungsprobe ausgesetzt sind. Ein Besuch von "Heute"  beim Grazer Sozialmarkt Vinzi verdeutlicht die Anspannung. 

Viele Spenden aus der Bevölkerung 

Im Lager des Sozialmarktes stapeln sich aberdutzende Kisten an Lebensmittel. Von Obst und Gemüse bis hin zu Tiefkühl-Produkten ist alles dabei. Wenn der Markt um 8.00 Uhr seine Türen öffnet, ist das meiste davon schon im Lager. Denn bereits zwei Stunden vor Öffnung fahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Supermärkte in der Nähe ab, um beschädigte oder bald ablaufende Lebensmittel als Spende zu bekommen. 

Obst und Gemüse kommen zudem in Unmengen auch von Bauern aus der Umgebung, die den Markt unterstützen. Zusätzlich dazu ist auch die Zivilbevölkerung auf Trab. "So viele Spenden wie wir derzeit bekommen, hat es bei uns noch nie gegeben. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist ein Wahnsinn", sagt Marktleiterin Sigrid Wimmer gegenüber "Heute". 

Der Krieg in der Ukraine hat bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Hilfsbereitschaft hervorgerufen. Die Produkte, die hier um 70 Prozent billiger sind, als in Supermärkten, sind auch heiß-begehrt. "Unsere Kundinnen und Kunden werden täglich mehr, die Teuerungen führen mittlerweile dazu, dass Personen, die vor einigen Wochen noch zur Mittelschicht angehörten, nun hier einkaufen müssen", sagt Wimmer.

Das Lager des Grazer Vinzimarktes
Das Lager des Grazer Vinzimarktes
"Heute"

Die Schere zwischen Arm und Reich würde nun noch stärker auseinanderklaffen, dazwischen würde es nicht mehr viel geben. "Ich hatte eine Kundin, die mir erzählte, dass sie sich nur noch 50 Euro dieses Jahr zur Seite legen konnte, nachdem sie alle Fixkosten von Strom, Gas bis hin zur Miete abbezahlt hat", sagt Wimmer. 

Das Klientel ist bunt, "es kommen Österreicher, Afghanen, aber auch Chinesen zu uns, die sich einfach das Leben sonst nicht mehr leisten können", erzählt Wimmer. Seit knapp einem Monat sind vermehrt auch Ukrainerinnen und Ukrainer unter den Kunden, die vor dem Krieg geflüchtet sind. Drei ukrainische Frauen arbeiten auch im Lager mit, um zumindest eine Beschäftigung zu haben und dem Markt, der ihnen sofort geholfen hat, auch etwas zurückzugeben, wie sie sagen. 

Während der Markt offen hat, ist es schwer, den Überblick zu behalten. Immer wieder drängen neue Kundinnen und Kunden hinein. "Im letzten Monat haben wir mit Sicherheit 50 neue Kunden dazubekommen, die sich den Einkauf in einem normalen Supermarkt nicht mehr leisten können", sagt Wimmer. Manche hätten auch für die verbilligten Produkte im Sozialmarkt nicht genügend Geld, dann wird ihnen der Einkauf oft geschenkt. "Keiner geht mit leeren Händen", sagt Wimmer bestimmt. 

Die hohe Zahl an Kundschaft sorgt für Stress im Lager. Schnell müssen neue Lieferungen sortiert werden und in den Laden gebracht werden. Die Kundinnen und Kunden freuen sich über die kleinen Stücke Luxus, die sie in anderen Supermärkten nicht mehr kaufen könnten. Schinken, Speck und einfach eine große Packung an italienischen Wurstaufschnitt gibt es im Vinzimarkt vergünstigt. 

Das Angebot führt auch öfter zu versuchten Hamsterkäufen. Wimmer versucht die Lage aber unter Kontrolle zu halten: "Wenn wer am Morgen gleich sechs Packungen Nudeln mitnehmen will, erkläre ich schon, dass das nicht geht – immerhin muss auch für spätere Kundinnen und Kunden noch was übrig bleiben".

Gegen Ende eines Einkaufstages sind die Regale leer geräumt.
Gegen Ende eines Einkaufstages sind die Regale leer geräumt.
"Heute"

Gegen Ende des Einkaufstages ist der Markt beinah vollständig leer-geräumt. Nur noch vereinzelt liegen Salatblätter in den Boxen, wo Stunden zuvor noch mehrere Köpfe an frischem Häuptlsalat waren. Die Mitarbeiterinnen sind aber noch immer auf Trab, im Lager muss nämlich die Ordnung bewahrt bleiben. Schwere Lebensmittelboxen müssen an ihren Platz gehievt werden, um auch am nächsten Tag wieder für die Kundschaft bereitzustehen. 

"Die Arbeit hier ist sehr kräftezehrend", sagt Wimmer in einer kurzen Verschnaufpause. Sechs Tage in der Woche ständig Kisten zu schleppen, während daneben permanent das Telefon klingelt, belastet auch die selbsternannte "Power-Frau". Freiwillige Helferinnen und Helfer werden mittlerweile händeringend gesucht, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Sozialmarkt etwas zur Hand zu gehen. 

1/63
Gehe zur Galerie
    <strong>25.04.2024: Kein Auto, kein Haus – so lebt René Benko.</strong> Erstmals seit der Signa-Pleite zeigte sich Unternehmer René Benko der Öffentlichkeit. Der Tiroler erschien am Mittwoch in Innsbruck vor Gericht. <a data-li-document-ref="120033251" href="https://www.heute.at/s/kein-auto-kein-haus-so-lebt-rene-benko-120033251">Die Details &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120033229" href="https://www.heute.at/s/jetzt-droht-beliebtem-lebensmittel-das-bittere-aus-120033229"></a>
    25.04.2024: Kein Auto, kein Haus – so lebt René Benko. Erstmals seit der Signa-Pleite zeigte sich Unternehmer René Benko der Öffentlichkeit. Der Tiroler erschien am Mittwoch in Innsbruck vor Gericht. Die Details >>>
    EXPA / APA / picturedesk.com