Genial oder daneben?

Stadt bekämpft Feinstaub mit Kanonen

Immer mehr Städte erklären Luftverschmutzung den Krieg – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit "Anti-Smog-Guns" wird Feinstaub aus der Luft geschossen.
Nick Wolfinger
24.10.2025, 08:00
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Das wenig ruhmreiche Ranking der Städte mit der weltweit höchsten Feinstaubbelastung wird von Städten in Indien dominiert. Den traurigen ersten Platz belegt jedoch die pakistanische Metropole Lahore (14 Millionen Einwohner). Mit einem Wert von 270 im Luftqualitätsindex (AQI) liegt die Stadt in der aktuellen Analyse vom Oktober 2025 deutlich vor den indischen Städten Delhi (211) und Kalkutta (198).

Atemwegserkrankungen auf dem Vormarsch

Die gesundheitlichen Folgen, und damit auch die Belastung für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft als ganzes, sind enorm. Atemwegserkrankungen wie Asthma, aber auch ein höheres Risiko für Schlaganfälle, Herzkrankheiten und Lungenkrebs sind die Folge. Besonders Kinder, Ältere und Kranke sind gefährdet.

Von Herbst bis Frühling reicht die Sicht in Lahore aufgrund der Luftverschmutzung oft keine 100 Meter weit (Bild von November 2021)
REUTERS

Schuld daran ist neben dem Straßenverkehr und der Industrie auch das Heizen im Winter mit Holz, Öl und Kohle. Umweltschutzmaßnahmen wie verpflichtende Katalysatoren in Autos, alternative Heizmethoden oder Filter für Industrieanlagen? Fehlanzeige. Stattdessen setzt man neuerdings auf eine Art "Wunderwaffe" – die "Anti-Smog-Gun".

Anti-Smog-Gun als Wunderwaffe

Das Prinzip ist einfach erklärt. Es handelt sich dabei um eine Art Schneekanone, die Wasser mit Hochdruckdüsen in Wasserstaubpartikel zerteilt und in hohem Tempo in die Luft schießt – bloß, dass das ganze dabei nicht gefroren wird. Statt Schnee verteilt sich der Wasserstaub in der Luft, der wiederum feinste Ruß- und Staubpartikel an sich bindet und dann mit ihnen zu Boden sinkt.

Lahore hat kürzlich 15 solcher mobilen "Anti-Smog-Guns" gekauft – und schwört auf ihre Wirksamkeit. Die Regierungschefin der Provinz Punjab, Marriyum Aurangzeb, erklärte vergangene Woche auf X, die Feinstaubwerte der Messstation im Stadtbezirk Kahna, in der ein großer Autobahnknoten liegt, seien durch den Einsatz der Kanonen massiv zurückgegangen. Der Luftverschmutzungsindex sei von 666 auf 170 zurückgegangen.

Kritiker: Wirkung sehr begrenzt

Ähnlich wie Sprühnebel-Anlagen gegen große Hitze im Sommer, wie man sie etwa in Wien kennt, ist ihre Wirkung aber in Wahrheit sehr begrenzt, monieren Kritiker. "Dieses System funktioniert nur in einem begrenzten Bereich wie einem Stadion und nicht auf offenen Flächen“, sagte etwa ein Wissenschafter des Central Pollution Control Board (CPCB), der einen Probeeinsatz solcher Geräte im indischen Anand Vihar im Dezember 2017 beobachtete.

Vorreiter China

Die Idee, mit modifizierten Schneekanonen die Luftverschmutzung zu bekämpfen, stammt ursprünglich aus China. Ab 2017 wurden erste "Anti-Smog-Guns" auch in Indien rund um die Hauptstadt Neu-Delhi getestet. Sie wurden dann vor allem bei Großbaustellen eingesetzt, um die Ausbreitung von Dreck und Staub zu begrenzen.

Von den Spitzenplätzen internationaler Luftverschmutzungs-Rankings schaffte es die chinesische Metropole damit jedoch nicht. Letztlich waren es die Einführung strengerer Emmissionsnormen und die Beschränkung von Kfz im Stadtgebiet, die Verlagerung besonders dreckiger Industrien aus dem Stadtgebiet, der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und vor allem der Umstieg von Kohle als wichtigstem Heizsystem zu Gas und anderen sauber(er)en Energieträgern.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 06.11.2025, 11:59, 24.10.2025, 08:00
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