Nach seinem Buch über den Fall Pilnacek geht es in seinem neuen Werk (Der "Tag X", erschienen im Seifert Verlag) um Umsturzfantasien: "In der rechten Szene ist der 'Tag X' ein nicht näher bestimmtes Datum, an dem die gesellschaftliche und politische Ordnung zusammenbricht und es zu einer Machtübernahme durch staatsfeindliche Gruppierungen kommt", so Gernot Rohrhofer. Eine solche Gruppierung sollen etwa die "Sächsischen Separatisten" gewesen sein – acht Verdächtige sitzen seit Herbst 2024 in Deutschland in U-Haft. Verbindungen gibt es auch nach Österreich. Gegenüber "Heute" nimmt der 40-Jährige zu seinem neuen, spannenden Werk Stellung.
"Heute": Herr Rohrhofer, Ihr Enthüllungs-Buch über den Fall Pilnacek schlug bei breiten Lesergruppen ein, nach dem Erscheinen kam es zu weiteren Wendungen, wie sehen Sie die Entwicklungen im Fall Christian Pilnacek?
Gernot Rohrhofer: "Ich finde diese Entwicklungen zutiefst bedenklich und ebenso befremdlich. Einige wenige Personen spinnen auf dem Rücken eines Toten Theorien, die nicht nur höchst abenteuerlich sind, sondern auch kein Substrat haben. Behörden werden genarrt und der Bevölkerung wird der Eindruck vermittelt, dass die österreichische Polizei unfähig, korrupt und Teil eines tiefen Staates wäre. Nichts davon stimmt und wer sich seriös mit dem Fall auseinandersetzt, wird zu demselben Ergebnis kommen. Ich kenne sämtliche Akten in dem Fall und darüber hinaus Lichtbilder, die eine eindeutige Sprache sprechen."
Ihr neues Buch heißt "Der ,Tag X‘", was steckt hinter dem Titel und worum geht es?
"Es geht um die Umsturzfantasien der Rechten. In der rechten Szene ist der "Tag X" ein nicht näher bestimmtes Datum, an dem die gesellschaftliche und politische Ordnung zusammenbricht und es zu einer Machtübernahme durch staatsfeindliche Gruppierungen kommt. Eine solche Gruppierung sollen die "Sächsischen Separatisten" gewesen sein. Diese wurden vor kurzem in Deutschland angeklagt. Die Vorwürfe gegen die "Sächsischen Separatisten" – acht von ihnen sitzen seit November 2024 in Deutschland in Untersuchungshaft – waren der Grund, warum ich das Buch geschrieben habe und ganz konkret, weil es Verbindungen nach Österreich gibt. Einige mutmaßliche Mitglieder der "Sächsischen Separatisten" sind Söhne von Hans Jörg Schimanek junior, der vor ziemlich genau 40 Jahren in Österreich ähnliche Fantasien hatte und in der Gegend um Langenlois und Krems an die 100 Wehrsportübungen durchgeführt hat."
Handelt es sich erneut um ein Aufdecker-Buch oder geht es Richtung Roman und Fiktion?
"Es handelt sich um ein politisches Sachbuch. Mir geht es mit meinen Büchern vor allem darum, aufzuzeigen, wie extreme Gruppierungen – das gilt für rechte Gruppierungen ebenso wie für linke – durch den manipulativen Einsatz von Sprache bzw. das wissentliche Verbreiten von Unwahrheiten die Bevölkerung an der Nase herumführen. Hier schließt sich der Kreis zum Fall Pilnacek, denn in beiden Fällen wird ohne jeglichen Beleg das Narrativ vom "Tiefen Staat" gesponnen. In beiden Fällen werden Tatsachen verdreht und Akteninhalte, die nicht in die Erzählung passen, weggelassen. Nachdenklich stimmt mich, wie beharrlich sich diese "Erzählungen" in der Bevölkerung halten."
Auf dem Cover des neuen Werks ist ein historisches Gebäude zu sehen, um welches handelt es sich hier und warum wurde es von Ihnen ausgewählt?
"Es handelt sich um den Eingang zum Forsthaus in Kronsegg bei Langenlois. Das Haus wird seit den 70er-Jahren von den Schimaneks gemietet und sollte den "Sächsischen Separatisten" am "Tag X" als Rückzugsort dienen. Außerdem hat dort im Zuge der Ermittlungen gegen die "Sächsischen Separatisten" eine Hausdurchsuchung stattgefunden. U.a. wurden 30 Kilogramm Munition gefunden, zum Großteil allerdings alt, rostig und deshalb unbrauchbar. Aber ebenso wurde ein Schalldämpfer gefunden, den man in Österreich nur in Ausnahmefällen besitzen darf."
Bereits für Ihr Pilnacek-Werk hatte es umfangreiche Recherchen bedurft, wie schaute es diesmal aus?
"Dem Buch sind viele Wochen "Feldarbeit" in Kronsegg, Schiltern und Langenlois, aber auch in Deutschland vorangegangen. Ich war in den ostdeutschen Städten Brandis und Grimma – dort kommen die mutmaßlichen Anführer der "Sächsischen Separatisten" her. Mir war es wichtig, nicht nur die Behördensicht aufzugreifen, sondern auch in Erfahrung zu bringen, wie die Vorwürfe gegen die jungen Männer in ihren Heimatstädten gesehen werden – und da kam durchaus Bemerkenswertes zutage: Fast durch die Bank sprachen die Menschen in Ostdeutschland davon, dass es die "Sächsischen Separatisten" gar nicht gäbe."
Rohrhofer weiter: "In Summe habe ich für das Buch 40 Interviews durchgeführt und mehrere hundert historische Zeitungsartikel durchforstet. Glücklicherweise gab es gleich mehrere Menschen, die die Berichte aus den 80er- und 90er-Jahren feinsäuberlich aufbewahrt hatten und mir zur Verfügung gestellt haben. Auch der Rechtsextremismusforscher Volkmar Wölk, der Leiter des LSE Niederösterreich, Roland Scherscher, und der Politikberater Thomas Hofer kommen zu Wort. Aber ebenso Hans Jörg Schimanek junior, der mir ein Interview gegeben hat."
Ihr neues Buch behandelt heikle Themen wie Rassismus und Antisemitismus – wie beurteilen Sie die heutige gesellschaftliche Situation, insbesondere in Österreich?
"Ich möchte diese Frage gerne auf einer etwas anderen Ebene beantworten: Der heimischen Politik würde etwas mehr Anstand, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit wieder guttun. Die rohe und respektlose Sprache der vergangenen Jahre hat Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Zugleich sollten wir uns mehr um die Kinder und Jugendlichen in diesem Land kümmern. Bildung, Dialog und Offenheit sind vermutlich der größte Feind von Verschwörungstheorien. Leider ist davon zuletzt alles zu kurz gekommen."
Arbeiten Sie schon an einem nächsten Buch oder haben Sie schon Ideen?
"Ich denke, dass es im Fall Pilnacek noch eine saubere Einordnung der vergangenen Monate braucht."