Auf dem Weg zu ihrem sechsten Grand-Slam-Titel, dem ersten auf dem "heiligen Rasen" von Wimbledon, kannte Swiatek keine Gnade mit ihrer Gegnerin. Schon nach 24 Minuten hatte die Weltranglisten-Vierte den ersten Satz mit 6:0 für sich entschieden. Das Endspiel auf dem Centre Court dauerte gerade einmal 57 Minuten.
Dann war eine historische Abfuhr besiegelt. Der erst zweite "Double Bagel" in einem Grand-Slam-Endspiels in der Open Era, nachdem die Deutsche Steffi Graf im French-Open-Endspiel 1988 Natallja Swerawa ebenso mit 6:0 und 6:0 bezwungen hatte. Ein derart deutliches Ergebnis hatte es in der Turniergeschichte nur 1911 gegeben.
Anisimova war der Druck, die Nervosität anzumerken. Sie wirkte schnell ratlos, fand kein Mittel gegen das druckvolle Spiel der Polin. Schon beim Stand von 0:2 im zweiten Satz hatte sich die 23-Jährige Tränen aus den Augen gewischt. Auch in den Wechselpausen im zweiten Satz weinte Anisimova, hielt sich immer wieder das Handtuch vors Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen.
Nach dem Spiel brach es dann aus Anisimova heraus. Als die US-Amerikanerin im Live-Interview nach ihrem schwierigen Tag gefragt wurde, weinte sie erneut, ehe auf dem Centre Court aufmunternder Applaus einsetzte. Anisimova bedankte sich dann bei den Fans: "Auch wenn mir heute ein bisschen die Energie ausgegangen ist und ich mir gewünscht hätte, eine bessere Leistung für euch zu zeigen, ihr wart für mich da und habt mich nach oben gebracht." Dann dankte die 23-Jährige auch ihrer Mutter Olga, die extra für das Finale nach London geflogen war, erst am Samstagmorgen ankam: "Ich bin so froh, diesen Moment mit dir teilen zu können."
Es war Prinzessin Kate, die Anisimova tröstete. Die Frau von Prinz William übergab die Trophäen auf dem "heiligen Rasen", und gab der US-Amerikanerin einige tröstende Worte mit auf den Weg.
Trotz der deutlichen Pleite ist bereits der Finaleinzug für Anisimova ein sensationeller Erfolg, und das nicht nur, weil die US-Amerikanerin das stolze Preisgeld von 1,52 Millionen Pfund mit nach Hause nimmt. Nach schwierigen Jahren mit mentalen Problemen und einem Burnout scheiterte Anisimova vor zwölf Monaten noch in der Wimbledon-Qualifikation, nun wird sie am Montag unter den Top Ten der Tennis-Weltrangliste sein, stand im Endspiel. 2019 hatte die US-Amerikanerin noch als 18-Jährige das Halbfinale der French Open erreicht, ehe wenig später ihr Vater und Trainer überraschend verstarb. 2023 machte sie ihre mentalen Probleme öffentlich. Nun ist Anisimova wieder zurück in der Weltspitze.