"Komplexes Bild"

Urteil im Kellermayr-Prozess: So kam es zum Freispruch

Das Urteil sorgte für Empörung: Am Mittwoch endete der Fall Kellermayr mit einem Freispruch. "Heute" hat alle Infos zur kontroversen Entscheidung.
Lea Strauch
10.04.2025, 20:47
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Freispruch im Fall Kellermayr: Dieses Urteil sorgte am Mittwoch für hitzige Diskussionen. "Hab ich das jetzt richtig verstanden, man kann jemanden Hass- und Drohnachrichten schicken und es hat keine rechtlichen Konsequenzen?", schrieb zum Beispiel ein empörter User im "Heute"-Forum. Doch wie kam es zu dem kontroversen Urteil?

Zur Erinnerung: Dem Angeklagten – ein 61-jähriger Deutscher – wurde vorgeworfen, der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr von Februar bis Juli 2022 in vier E-Mails und drei Twitter-Nachrichten gedroht zu haben. Er kündigte an, sie vor ein "Volkstribunal" zu stellen und "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen. Kurz darauf nahm sich die Medizinerin das Leben.

Die Zuständigkeit

Wichtig: Weil der Angeklagte die Nachrichten aus Deutschland versendet hatte, war die österreichische Justiz für den Grundtatbestand der gefährlichen Drohung nicht zuständig. Hier sind die deutschen Strafverfolgungsbehörden gefragt. Der 61-Jährige stand in Wels vor Gericht, weil sich Kellermayrs Suizid in Österreich stattfand und somit ein sogenanntes "Erfolgsdelikt" vorlag.

Mitschuld des Angeklagten

Für eine Verurteilung hätte das Gericht nachweisen müssen, dass der Angeklagte wissen konnte, dass seine Nachrichten den Selbstmord von Lisa-Maria Kellermayr auslösen könnten. Außerdem: dass seine Drohungen dafür auch mitverantwortlich waren.

Dieser Zusammenhang hätte mit hoher Sicherheit klar sein müssen. Der Schöffensenat konnte das aber nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen – und sprachen den Angeklagten daher frei.

Suizidgedanken? Hol dir Hilfe, es gibt sie.

In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen – außer Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.

Wenn du unter Selbstmord-Gedanken oder Depressionen leidest, dann kontaktiere bitte die Telefonseelsorge unter der Nummer 142 – täglich 0-24 Uhr!

War der Suizid vorhersehbar?

Ein wichtiger Punkt im Prozess: die Labilität oder gar Suizidalität der verstorbenen Ärztin. Das Gericht musste beurteilen, ob die Selbsttötung für den Angeklagten vorhersehbar war. Wie der forensisch-psychiatrische Sachverständige in seiner Aussage erklärte, sei der psychische Zustand Kellermayrs für Außenstehende eben nicht hinreichend erkennbar gewesen.

Der Gutachter erklärte, dass der Suizid "als komplexes Bild aus vielen Facetten zu sehen sei, der seine Ursachen in mehreren Umständen hatte", fasst das Landesgericht Wels zusammen. Der Hauptanteil am Suizid lege in der psychischen Grunderkrankung.

Urteil nicht rechtskräftig

Im Fall des Angeklagten heißt das konkret: Auch nach dem ausführlichen Beweisverfahren konnte nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden, dass er die Selbsttötung erahnen konnte. Ein Schuldspruch war daher nicht möglich.

Weil sich die Staatsanwaltschaft drei Tage Bedenkzeit genommen hat, ist das Urteil derzeit nicht rechtskräftig. Eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof (OGH) könnte noch folgen.

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