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Video zeigt wie Regierungspalast in Irak gestürmt wird

Das Militär rief eine stadtweite Ausgangssperre aus: In Bagdad haben Anhänger von Muqtada al-Sadr den Regierungspalast gestürmt.

Demonstranten versammeln sich am 29. August 2022 vor und auf dem Balkon des Regierungssitzes in der Grünen Zone der Hauptstadt Bagdad. Dutzende wütende Anhänger stürmen den Republikanischen Palast.
Demonstranten versammeln sich am 29. August 2022 vor und auf dem Balkon des Regierungssitzes in der Grünen Zone der Hauptstadt Bagdad. Dutzende wütende Anhänger stürmen den Republikanischen Palast.
AHMAD AL-RUBAYE / AFP / picturedesk.com

Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Muqtada al-Sadr haben den Regierungspalast in Bagdad erstürmt. Das berichteten Augenzeugen am Montag. Kurz zuvor hatte der 48 Jahre alte Geistliche seinen Rückzug aus der Politik erklärt. In dem Gebäude in der eigentlich hoch gesicherten Grünen Zone liegt unter anderem das Büro von Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kamen laut Augenzeugen mindestens zwei Menschen ums Leben, 30 weitere wurden demnach verletzt.

"Wir fordern den Sturz des Regimes, das ist eine Revolution des Volkes!"

Krise spitzt sich zu, Bevölkerung erhebt sich

Damit spitzt sich die politische Krise im Irak weiter zu, nachdem Demonstranten vor einem Monat bereits in das Parlamentsgebäude eingedrungen waren. Auch rund zehn Monate nach der Parlamentswahl können sich die Parteien weder auf einen Präsidenten noch einen Regierungschef einigen, während das Land unter einer Wirtschaftskrise, Inflation und Korruption ächzt.

Revolution des Volkes

Bereits zum zweiten Mal seit 2014 kündigte al-Sadr seinen Rückzug aus der Politik an. "Ich hatte beschlossen, mich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen, aber jetzt kündige ich meinen endgültigen Ruhestand und die Schließung aller Einrichtungen an", twitterte er am Montag. Ausgenommen seien mit ihm direkt verbundene religiöse Einrichtungen. "Wenn ich sterbe oder getötet werde, bitte ich um eure Gebete."

Keine zwei Stunden nach der Ankündigung strömten Demonstranten in die Grüne Zone. Einige trugen Fotos al-Sadrs. "Dies ist eine Revolution des Volkes, keine Sadristen-Bewegung", riefen einige. Andere forderten den "Sturz des Regimes". Die Protestler beseitigten Barrieren und kletterten über Zäune. Sicherheitskräfte versuchten, die Menge mit Wasserwerfern auseinanderzutreiben. Die Belagerung des Palasts ging trotz einer ab dem Nachmittag geltenden Ausgangssperre weiter. Ab dem Abend sollte eine landesweite Ausgangssperre in Kraft treten.

Mit Tränengas angegriffen

Videos zeigten eine jubelnde Menge in den edlen Räumen des Palastes. Ein Demonstrant sagte, die Protestler würden durch Büros wandern, andere draußen in einem Swimmingpool schwimmen. Es werde dabei aber kein öffentliches Eigentum beschädigt. Sicherheitskräfte versuchten, die Protestler mit Tränengas aus dem Palast zu treiben. Später fielen laut Augenzeugen auch Schüsse.

Politische Krise spitzt sich zu

Regierungschef al-Kasimi setzte alle Sitzungen des Kabinetts bis auf Weiteres aus. Er sprach von "gefährlichen Entwicklungen" und "ernsthaften Folgen anhaltender politischer Differenzen". Er forderte al-Sadr auf, die Demonstranten zur Ordnung zu rufen. In Dhi Kar im Süden stürmten seine Anhänger ein Gebäude der Provinzregierung. Andere zündeten dort auf der Strasse Autoreifen an.

Der Irak steckt seit Monaten in einer tiefen politischen Krise. Diese hat sich nach der Parlamentswahl vor rund zehn Monaten immer weiter verschärft. Al-Sadrs Bewegung ging damals als klarer Wahlsieger hervor, konnte jedoch nicht die wichtige Zweidrittelmehrheit erreichen, die für die Präsidentenwahl erforderlich ist. Erst mit der Unterstützung des Staatschefs kann eine neue Regierung gebildet werden. Damit entstand eine politische Pattsituation.

Parlament reformieren

Al-Sadr hat damit vorerst seinen Versuch aufgegeben, das politische System im Irak mithilfe des Parlaments zu reformieren. Nach dem Sturz von Langzeitdiktator Saddam Hussein war es Brauch, dass im Kabinett Vertreter der wichtigsten politischen Kräfte vertreten waren. Al-Sadr wollte mit dieser Tradition brechen und eine Mehrheitsregierung aus Abgeordneten seiner Partei, der Demokratischen Partei Kurdistans von Masud Barsani und dem Block der Sunniten bilden. Eines seiner Ziele war auch, den Einfluss schiitischer Parteien zurückzudrängen, die vom Iran unterstützt werden.

Stürmung soll Gegner daran hindern, eine Regierung zu bilden

Mit "Druck von der Straße" und einer Stürmung des Parlaments wollte die al-Sadr-Bewegung schließlich verhindern, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki, die eine große Nähe zum Iran haben, eine Regierung bilden können. Zuletzt hatte der Religionsführer Neuwahlen gefordert. Seine Rivalen stellten unterdessen einen eigenen Kandidaten als Premier vor, den al-Sadr wegen dessen Nähe zu al-Maliki ablehnt.

Muqtada al-Sadr entstammt einer Familie bedeutender Kleriker. Nach dem Einmarsch der US-Armee im Irak 2003 gründete er eine Miliz, die "Mahdi-Armee". Al-Sadr lebte zwischenzeitlich im Iran.

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