Wien

Von der Straße zum Top-Job: Daria (42) hat es geschafft

Sie flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ehemann und lebte im Mutter-Kind-Haus. Heute ist Daria (42) beruflich erfolgreich und macht anderen Frauen Mut.

Yvonne Mresch
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Daria (42) floh vor ihrem gewalttätigen Ehemann und fand Zuflucht im Mutter-Kind-Haus. Heute ist sie Abteilungsleiterin in einem Großkonzern.
Daria (42) floh vor ihrem gewalttätigen Ehemann und fand Zuflucht im Mutter-Kind-Haus. Heute ist sie Abteilungsleiterin in einem Großkonzern.
Sabine Hertel

"Ich war technische Zeichnern und meine Ehe war glücklich", erinnert sich Daria (42). Diese glücklichen Zeiten liegen lange zurück, denn das Leben meinte es nicht gut mit der Wienerin. Der bislang geliebte Ehemann wurde gewalttätig, bedrohte Mutter und Kinder, die Ehe zerbrach. Als Daria schließlich sogar um ihr Leben fürchten musste, flüchtete sie mit ihren vier Kindern (damals zwischen sechs und 15 Jahre alt) ins Ausland. Zurück in Wien war das Leben der Familie auf den Kopf gestellt: "Ich hatte alles verloren und stand hier ohne Geld und ohne Unterstützung", erzählt die junge Frau.

"Das Mutter-Kind-Haus war wie ein Sechser im Lotto!"

Bei Verwandten konnte Daria nur kurzfristig unterkommen und stand schlussendlich auf der Straße. Der letzte Ausweg: Das Caritas Mutter-Kind-Haus. "Ich habe mich geschämt, habe überlegt, was die anderen sagen werden. Heute weiß ich, dass es dafür keinen Grund gibt", sagt sie. Der Anruf hatte der Mutter in Not Überwindung gekostet, doch dann ging alles ganz schnell. "Ich dachte, dass es sehr kompliziert werden würde, aber ich konnte gleich am selben Tag einziehen. Für eine Vierfach-Mutter ist das wie ein Sechser im Lotto, ich habe geweint vor Freude."

Schauspielerin Hilde Dalik: "Hinter jeder Person steckt eine Geschichte"

Mehr Frauen und Kinder als je zuvor haben heuer bei der Caritas Zuflucht gefunden. In drei Mutter-Kind-Häusern in Wien sind derzeit 63 Frauen und 97 Kinder untergebracht. 20 davon leben im "Haus Luise" im 15. Bezirk. Die Umstände, die sie dorthin geführt haben, sind vielfältig und reichen von Erkrankung über Jobverlust bis hin zu Gewalt. Vielen fällt es schwer, um Hilfe zu bitten, erzählt Leiterin Claudia Ferner im Rahmen einer Pressekonferenz, zu der Caritas-Wien-Chef Klaus Schwertner gemeinsam mit Schauspielerin Hilde Dalik lud. Letztere machte sich vor Ort ein Bild von der Einrichtung und sprach mit Betroffenen. "Das sind alles starke Frauen, die es geschafft haben. Hinter jeder Person steckt eine Geschichte. Auch wenn die Gründe verschieden sind, eint sie doch eines: Am Ende des Monats fehlt das Geld für Mieten, Heizen oder Essen", so die Schauspielerin.

Caritas fordert Kindergrundsicherung und Reform der Sozialhilfe

Auch die Caritas warnt vor der zunehmenden Not von Frauen und Kindern in Österreich. Zum einen, weil die Zahl der Geflüchteten steigt, zum anderen aufgrund der Rekordinflation und Teuerungen. Fast die Hälfte (47 Prozent) der Alleinerziehenden in Österreich sind laut Schwertner von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. "Die Situation ist prekär. Frauen, die bisher gut über die Runden gekommen sind, wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen", so Schwertner, der von einer "zunehmend unüberwindbare Herausforderung" spricht.

Um der Problematik entgegenzuwirken, fordert die Caritas eine jährliche Valorisierung der Sozialleistungen, eine Reform der Sozialhilfe Neu, sowie eine Kindergrundsicherung. Der Familienbonus soll auch einkommensschwache Familien erreichen, stellt Schwertner klar und ergänzt: "Wir befinden uns nicht nur in einer Gesundheitskrise, sondern auch in einer sozialen Krise und hinter jeder Zahl versteckt sich ein Mensch. Wir müssen auf jene achten, die es besonders schwer haben und besonders stark sind." 

Appell: "Frauen, holt euch Hilfe!"

Für Daria war das Haus Luise die Rettung: "Ich wusste meine Kinder in Sicherheit und hatte endlich meinen Kopf frei, um mich um andere Dinge zu kümmern. Denn vorher musste ich für sie stark sein und durfte meine eigenen Gefühle nicht zulassen." Neben einer Unterkunft, Essen und Kleidung erhalten die Frauen im "Haus Luise" vor allem Perspektiven – in Form von Beratungen und dem Aufbau von sozialen Netzwerken gegen Vereinsamung.

Eineinhalb Jahre lang lebte Daria im Caritas-Haus. Heute hat sie eine eigene Wohnung, die Kinder sind in der Schule erfolgreich und sie selbst ist als Abteilungsleiterin in einem Großkonzern tätig. Mit ihrer Erfolgsgeschichte will sie anderen Mut machen und appelliert an all jene, denen es ähnlich geht: "Traut euch,  Hilfe zu holen!" Geschichten wie die von Daria sind für Leiterin Ferner das Schönste: "Die Frauen ziehen mit einer Tasche und einem Stofftier ein und am Ende ziehen sie in eine eigene Wohnung!"

In Anbetracht der aktuellen Lage bittet die Caritas um Spenden. Mit 20 Euro etwa kann ein Babypaket zur Verfügung gestellt werden, 33 Euro ermöglichen einer betroffenen Frau eine Übernachtung im Mutter-Kind-Haus und mit 150 Euro spendet man eine neue Matratze inklusive Bettwäsche. Mehr Informationen unter www.caritas-wien.at