Wien

Warmer Tee, ein offenes Ohr: Caritas hilft am Bahnhof

Sie alle kommen mit tragischen Geschichten im Gepäck: Am Wiener Hauptbahnhof erhalten ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine erste Unterstützung.
Yvonne Mresch
03.03.2022, 17:41

Was der kleine Rodi in seinem noch so kurzen Leben schon mitmachen musste, war für seine Familie noch vor wenigen Wochen unvorstellbar. Fünf Tage lang war Mama Tanya (40) mit ihm und ihren anderen Kindern Misha (17) und Alyona (15) sowie ihrem Partner auf der Reise. "Schrecklich war es", fasst Alyona es zusammen. 36 Stunden Wartezeit an der polnischen Grenze, wo es kein Durchkommen mehr gab. Dann ein weiterer Versuch, wieder fünf Stunden an der slowakischen Grenze. "Es war eiskalt und wir haben ein kleines Baby dabei", klagt die Teenagerin. Die Familie stammt aus Charkiew, musste vor den ständigen Bombardements fliehen. "Wir haben in den U-Bahn-Schächten ausgeharrt", erzählt Misha. "Zuhause muss man am Boden schlafen, nicht mehr im Bett. Dann ist man sicherer, wenn etwas passiert." Die Großmutter war zu schwach für die Flucht, deshalb entschloss sich Tanyas Schwester, bei ihr in der Ukraine zu bleiben. Mit ihnen steht die Familie ständig in Kontakt. 

Notschlafstelle, Streetwork und Info-Point für Geflüchtete

Am Wiener Hauptbahnhof warten Tanya und ihre Familie nun auf die Weiterreise nach Köln, wo Freunde sie empfangen werden. Für Menschen wie sie hat die Caritas eine Notschlafstelle mit 50 Plätzen eingerichtet. Die Räumlichkeiten stellen die ÖBB zur Verfügung, die Caritas der Erzdiözese Wien betreut vor Ort und ist außerdem mit Streetwork und einem Info-Point vertreten.

In Abstimmung mit dem Asylzentrum wurde zudem eine österreichweite Hotline für fremdenrechtliche Fragen eingerichtet. Die Hotline ist für Angehörige, Betroffene oder Helfende immer Montag bis Freitag von 9 bis 14 Uhr unter 05/17 76 380 erreichbar. Anrufe erreichen die 18 Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Gründen, wie Daniel Zipfel, Leiter der Caritas Wien Rechtsberatung, berichtet: "Es gibt Firmen, die sich um Mitarbeiter sorgen, Freunde von Ukrainern, die helfen möchten, hier lebende Ukrainer, die ihre Großeltern nachgeholt haben. Sie wollen alles richtig machen, fragen nach Aufenthaltsrecht und Meldezettel." 1.200 Ukrainer haben sich bislang zur Beratung gemeldet. (Stand: 2.3.)

"Mein Mann schreibt, es geht ihm gut. Aber er will uns nur beruhigen"

Auch für Olga aus Odessa wird das Aufenthaltsrecht bald zum Thema. "Bis nächste Woche haben wir noch eine Unterkunft, dann muss ich sehen, wie es weiter geht", erzählt sie. Olga floh gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrer fünfjährigen Tochter und dem Hund aus der Heimat nach Wien. 18 Stunden mussten sie an der Grenze warten, insgesamt drei Tage dauerte die Reise. "Es war schlimm, zu Fuß mit einem großen Koffer und einem Kind", erinnert sie sich. Dazu kommt die Angst um ihren Mann, der in Odessa zurückblieb. "Er schreibt mir immer, es geht ihm gut. Aber ich glaube das nicht. Er will uns nur beruhigen." Die Tochter, so Olga, verstehe noch nicht, was passiert. Mit dem Papa lässt sie sie nicht oft telefonieren. "Sie weint sonst und sagt, dass sie zu ihm will.". Olgas größter Dank gilt den Menschen in Wien, die ihr geholfen haben. "Meine Tochter hat Süßigkeiten bekommen und sogar einen Roller", sagt sie mit Strahlen in den Augen. "Wir kaufen aber auch Lebensmittel selbst, denn wir wollen niemanden belasten. Sobald ich darf, will ich arbeiten gehen", gibt die ausgebildete Fitnesstrainerin zu verstehen.

Weiteres Notquartier in Planung

Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, konnte sich in den vergangenen Tagen selbst ein Bild von der Lage an der Grenze machen. "Ich nehme viel Eindrücke mit", berichtet er. "Frauen, kleine Kinder, ältere Menschen, die weinen. Familien, die auseinandergerissen wurden. Aber auch Hilfe, die vor Ort geleistet wird. Es herrscht Zusammenhalt und Solidarität." Das ist auch in Wien zu spüren. "Wir helfen, mit einem warmen Tee und einem offenen Ohr", so der Caritas Wien Chef.

Und das ist dringend nötig, wie die Zahlen zeigen: Bereits in der ersten Nacht war die Notschlafstelle voll. Ein weiteres Quartier sei in Planung, sagt Schwertner und ergänzt: "Vor allem in Situationen wie diesen ist es wichtig, rasch und unbürokratisch zu helfen." Mit der ÖBB arbeite man eng und gut zusammen, wie auch ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä bestätigt: "Wir bieten gemeinsam einen sicheren Hafen für Geflüchtete, damit sie hier zumindest kurz zur Ruhe kommen können." Wichtig sei auch weiterhin der kostenlose Transport, so Matthä. Menschen, die aus der Ukraine flüchten, erhalten gratis Sondertickets für ihre Zugfahrten.

"Die Welt wird der Ukraine helfen"

Ihre freie Zeit hier nützen möchte die Ukrainerin Milena, wie sie im Gespräch mit "Heute" erzählt. Die 15-jährige kam gemeinsam mit ihrer Mutter vor wenigen Tagen nach Wien. Ihr Bruder Oleksandr (20) studiert hier an der Wirtschaftsuniversität, bei ihm konnten die beiden unterkommen. Jetzt helfen sie am Info-Point am Hauptbahnhof mit, wo sie nur können. "Ich habe die Zeit und ich möchte etwas tun", so die junge Frau. Ihr Vater ist in der Ukraine geblieben. "Das Internet ist schlecht, aber per Telefon sind wir in Kontakt. Wir haben natürlich Angst um ihn", sagt sie. Was sie sich für die Zukunft wünschen? Das ist für die Geschwister klar: "Alle Ukrainer wollen nur eines: Frieden."

Frieden wünschen sich auch Tanya und ihre Kinder. Sie möchten so bald als möglich in die Heimat zurück. "Wir lieben unser Land", sagen sie. "Alle unsere Freunde und unsere Verwandten sind dort." Trotz allen bisherigen Erlebnissen ist die Familie positiv gestimmt und überzeugt: "Die Welt wird der Ukraine helfen."

So können Sie helfen

Die Caritas bittet darum, sich vorab zu informieren, welche Sachspenden aktuell benötigt werden. Wer finanziell unterstützen kann und möchte, hat online die Möglichkeit dazu. Um 25 Euro kann ein Notpaket erworben werden. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

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