Während der Corona-Pandemie wurde ihnen noch geklatscht, den 130.000 Menschen, die in den verschiedensten sozialen Einrichtungen tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen. Ob in der Pflege, in der Kinder- und Jugendbetreuung oder in der Betreuung von Menschen mit Behinderung – überall lastet enormer Druck auf den Beschäftigten. Nun formiert sich breiter Widerstand. In Niederösterreich und Wien wurden Warnstreiks angekündigt.
"Bisher wurden uns rund 120 Streikversammlungen gemeldet und es kommen laufend welche hinzu", sagt Eva Scherz von der Gewerkschaft GPA. In den laufenden Verhandlungen um einen neuen Kollektivvertrag in der Sozialwirtschaft Österreichs setzt sie sich für die Beschäftigten ein: "Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte jetzt für die Politik der letzten Jahre herhalten", sagt Scherz gegenüber "Heute".
Scharfe Töne schlägt auch Michaela Guglberger, Verhandlerin für die Gewerkschaft vida, an: "Wir haben Null Verständnis, wenn die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft die Rechnung für die verfehlte Budgetpolitik der vergangenen Jahre präsentiert bekommen sollen."
In den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen im privaten Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich haben die Arbeitgeber auch in der dritten Verhandlungsrunde, nach 16 Stunden dauernden Gesprächen, lediglich ein Angebot weit unter der aktuellen Inflation vorgelegt.
„Kürzungen wie im schwarz-blauen Salzburg, wo der Pflegebonus für Beschäftigte gestrichen wurde, während das Land weiter vom Bund das Geld dafür kassiert, werden wir nicht akzeptieren.“Michael PieberGeschäftsführer, GPA Niederösterreich
"Deshalb haben wir zu Betriebsversammlungen und anschließenden Warnstreiks aufgerufen", erklärt Michael Pieber, der Geschäftsführer der GPA Niederösterreich, im "Heute"-Gespräch. Im ganzen Land koche die Stimmung. Alleine in Niederösterreich werden zwischen Dienstag, den 2. und Donnerstag, 4. Dezember, rund 20 Standorten Betriebsversammlungen stattfinden.
Die Beschäftigten der jeweiligen Einrichtung legen ab Dienstag für ein bis drei Stunden die Arbeit nieder. Zu Beeinträchtigungen für Pflegenehmer kommt es dabei nicht, betont Pieber: "Es handelt sich um eine Zwischenstufe im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, keinen Vollstreik."
Pieber hat deutliche Worte an die Politik: "Ich rufe Niederösterreichs Landesregierung auf, jetzt keine Zeit auf politische Spielchen zu verschwenden. Kürzungen wie im schwarz-blauen Salzburg, wo der Pflegebonus für Beschäftigte gestrichen wurde, während das Land weiter vom Bund das Geld dafür kassiert, werden wir nicht akzeptieren."
Als erstes Bundesland Österreichs will Salzburg, unter Karoline Edtstadler, ab 2026 den Pflegebonus streichen. Den sozialen Einrichtungen wurde schriftlich mitgeteilt, dass die gesetzlich verankerte Inflationsanpassung für 2026 ausgesetzt werde. Trotz Protesten, haben Salzburgs ÖVP und FPÖ das sogenannte Tarifanpassungsgesetz mehrheitlich verabschiedet. Am Montag wurde bekannt, dass Salzburg zurückrudert – die Kürzung soll, statt zu Jahresbeginn, erst im Sommer in Kraft treten.
Auch in Niederösterreich drohen den Beschäftigten Verschlechterungen: Bei durchschnittlichen 1,71 Prozent auf KV-Gehälter endet das aktuelle Angebot der Arbeitgeber-Seite. Wer über dem kollektivvertraglichen Minimum verdient, soll 2026 überhaupt nur 1,3 Prozent Erhöhung bekommen, heißt es seitens der GPA.
Und 2027 sollen alle Gehälter um maximal 1,65 Prozent wachsen. Bei durchschnittlich 4 Prozent Inflation entspricht das Reallohnverlusten zwischen 2,29 und 2,7 Prozent. Das wollen viele in der Branche nicht hinnehmen. Über 100 verschiedene Berufe sind davon betroffen – mit überdurchschnittlich hohen Quoten an Frauen und Teilzeitarbeit (jeweils 70 Prozent).
Diese werden durch den Verband Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) vertreten, Chefverhandlerin ist Yvonne Hochsteiner. Sie sagt zu den gescheiterten Verhandlungen: "Gerade in herausfordernden Zeiten müssen Gewerkschaft und Arbeitgeberseite Schulter an Schulter stehen, statt sich von der Politik gegeneinander ausspielen zu lassen."
In einer Zeit der politische Kürzungen rücke die Sicherung der sozialen Infrastruktur ins Zentrum der Verantwortung. Ziel bleibe weiterhin, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen stabile Rahmenbedingungen zu schaffen. Drastische Budgetkürzungen und fehlende Planungssicherheit würden aber den Handlungsspielraum massiv einengen.
"Wir verstehen das Ansinnen der Gewerkschaften, aber heuer geht es nicht um das Wollen, sondern allein um das Können. Und wir können nicht die Inflationsrate abgelten", sagt SWÖ-Vorsitzender Erich Fenninger. Die SWÖ bekräftigt ihren Appell an Bund und Länder: "Die Politik muss die Finanzierung der sozialen Infrastruktur verlässlich absichern. Ohne ausreichende Mittel sind Versorgungssicherheit, Arbeitsplätze und tragfähige Strukturen nicht dauerhaft zu gewährleisten."
Die Finanzierung sicherzustellen sei die (politische) Aufgabe der Arbeitgeber, sagt demgegenüber GPA-Verhandlerin Scherz: "Unsere Kolleginnen sind bereit, für einen fairen Abschluss zu kämpfen – auch mit Warnstreiks. Es kann nicht sein, dass für Toilettenpapier mehr Budgetplus eingeplant wird als für die Beschäftigten." Denn, statt bei Sachkosten sparen zu wollen, würden Arbeitgeber lieber beim Personal sparen: "Wir werden den Druck erhöhen und erwarten uns in der nächsten Verhandlungsrunde ein verbessertes Angebot."
Die Gewerkschaften wollen Reallohnverluste – also einen Abschluss unter der Inflationsrate von 4 Prozent – verhindern. Sie fordern höhere Zulagen, eine Senkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden und zusätzlichen Urlaub für Beschäftigte. Die Arbeitgeber hätten sich hier kaum bewegt, heißt es aus der GPA. Ab Dienstag legen deshalb Beschäftigte der Volkshilfe, des Hilfswerks, der Lebenshilfe, bei SeneCura und anderen Einrichtungen stundenweise die Arbeit nieder.
"In den vergangenen Tagen haben tausende Beschäftigte in vielen Teilen des Landes ein deutliches Signal gesetzt, wie die Kundgebungen in Salzburg und Wien zeigen", kommentiert das GPA-Verhandlerin Scherz. Sollte es auch bei der nächsten KV-Runde keine Einigung geben, schließen die Gewerkschaften weitere Proteste nicht aus. Eine vierte Verhandlungsrunde ist für 11. Dezember geplant.