Gesundheit

Warum Schweizer Gefängniszellen rosa gestrichen sind

Laut Experimenten verringert die Farbe Rosa aggressives Verhalten bei Insassen – aber es bestehen Zweifel. Dennoch wirken Farben auf uns.

Sabine Primes
Farben haben eine psychologische Wirkung auf uns.
Farben haben eine psychologische Wirkung auf uns.
JEFF HAYNES / AFP / picturedesk.com

Vor einigen Jahren setzte in den Gefängnissen Europas und Nordamerikas ein seltsamer Trend ein: Sie begannen, einige ihrer Zellen rosa zu streichen. Das ging so weit, dass 2014 in jedem fünften Gefängnis und jeder Polizeistation in der Schweiz mindestens eine Haftzelle in einem knalligen Flamingo-Pink gestrichen war. Das Dekor diente nicht der Ästhetik oder dem Wohlbefinden der Straftäter, sondern einer bekannten wissenschaftlichen Studie aus den 1970er Jahren.

Experiment der 70er Jahre

Damals überredete der Forscher Alexander Schauss eine Strafvollzugsanstalt der Marine, einige ihrer Haftzellen rosa zu streichen, da er aufgrund seiner Experimente die Theorie vertrat, dass die Farbe das Verhalten der Insassen positiv beeinflussen könnte. Die Ergebnisse, die er erzielte, gaben ihm Recht. In einer Schrift des Bureau of Naval Personnel hieß es, dass die Gefangenen nur 15 Minuten lang der rosa Zelle ausgesetzt sein mussten, um ihr aggressives Verhalten und ihr Gewaltpotenzial zu verringern. Tests in anderen Haftanstalten schienen seine Ergebnisse zu bestätigen, und nachdem sie 1979 und 1981 veröffentlicht worden waren, wurde der von ihm verwendete Farbton wurde aufgrund seiner stimmungsaufhellenden Eigenschaften in Gefängnissen auf der ganzen Welt eingesetzt.

"Cool Down Pink"

Der rosa Farbton – offiziell als P-618 bezeichnet, von Schauss aber Baker-Miller Pink genannt (nach den Direktoren des Marinegefängnisses, in dem er ihn zuerst getestet hat) – ist auf der ganzen Welt unter verschiedenen Namen bekannt geworden – von "Drunk Tank Pink" bis "Cool Down Pink".

Es gibt ein Problem

Es gibt nur ein Problem: Schauss' Ergebnisse wurden nie erfolgreich wiederholt. "Es gab 2015 eine Studie, die ordnungsgemäß und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurde und in der keine Beweise dafür gefunden wurden, dass Pink die Aggressivität reduziert", sagt Domicele Jonauskaite, Farbforscherin an der Universität Wien. Eine Studie der Justizvollzugsanstalt Poschwies in der Schweiz, an der 59 männliche Häftlinge teilnahmen, ergab, dass es keinen Unterschied zwischen weißen und rosafarbenen Gefängniszellen in Bezug auf das Aggressionsniveau der Häftlinge gab. Auch wenn die scheinbar beruhigende Wirkung von "Drunk Tank"-Rosa angezweifelt wird, spricht die Bereitschaft, mit der es angenommen wurde, für etwas, das tief in der menschlichen Psyche verankert ist: Die Macht der Farbe. Es gibt Beweise dafür, dass Farben unser Verhalten auf überraschende Weise beeinflussen können, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Die Macht der Farben

Von unserer Stimmung und unseren Emotionen bis hin zur Geschwindigkeit unseres Herzschlags und sogar unsere körperliche Stärke. So wurde beispielsweise festgestellt, dass leuchtende Rottöne zu einem höheren Erregungszustand führen und sogar Schläfrigkeit vorbeugen können. Experimente haben auch gezeigt, dass monotone Aufgaben wie Korrekturlesen in roten Büros effektiver erledigt werden können, während kreative Aufgaben wie das Schreiben von Aufsätzen in blauen Räumen besser gelingen. Andere Arbeiten haben jedoch gezeigt, dass Rot und Blau auch ablenkend wirken können, wenn man versucht, Aufgaben zu erledigen. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass bestimmte Persönlichkeitstypen, wie z. B. Introvertierte, empfänglicher für äußere Einflüsse wie die Farbe ihrer Umgebung sein könnten.